[416] 886. Das sonderbare Wirtshaus.

Ein Schneider befand sich einstens zu später Nachtzeit auf dem Weg von Keispelt nach Meispelt. Als er so in[416] seinen Gedanken dahinschritt, sah er plötzlich neben sich hart am Weg ein großes, hellerleuchtetes Wirtshaus. Da er seine Kehle trocken fühlte, trat er ein, um ein Schnäpschen zu genießen und zu sehen, wer denn eigentlich tagsüber das prächtige Haus hier errichtet hatte, von welchem er am Morgen noch nichts gesehen. Er trat also in die Stube und war nicht wenig verwundert, hier eine zahlreiche Gesellschaft von Weibern zu finden, unter denen er bald die Hanne, die Lise, die Grete, kurzum lauter alte Gevatterinnen erkannte. Alle drängten sich um das Schneiderlein und luden es ein, auf Gesundheit mitanzustoßen. Wie man ihm jedoch das bestellte Schnäpschen brachte, war dasselbe in einer Kuhklaue, und nun erst sah er, daß alle Zecherinnen ein ähnliches Trinkgeschirr vor sich stehen hatten. Darüber ergriff ihn solcher Schrecken, daß er schnell die Tür suchte und schweißtriefend zu Hause ankam.


Lehrer Konert zu Hollerich

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 416-417.
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