[429] 909. Die Hexe auf der Becher Mühle.

Vor uralter Zeit stand die Becher Mühle bei den stellensuchenden Knechten in sehr üblem Ruf; denn kaum war ein junger Bursche acht bis vierzehn Tage hier im Dienst, so siechte er rasch dahin und der Meister mußte den zu einem Totengerippe Abgekommenen aus dem Dienst entlassen.

Einst trat ein kecker Geselle in der Becher Mühle in Dienst. Er hatte natürlich nichts Eiligeres zu tun, als sich nach der Ursache des seltsamen Dahinsiechens seiner Vorgänger bei einem Mittelknecht zu erkundigen. Dieser erzählte ihm nach langem Zureden, wie jede Nacht eine greuliche Hexe in den Pferdestall komme, dort die Kopfhalter nehme und sie bald dem einen, bald dem andern Knecht über den Kopf werfe; darauf verwandle sich dieser sofort in ein schwarzes Pferd, auf das sich die Hexe schwinge und in rasendem Galopp hinüber ins Waldland reite. Nach stundenlangem Ritt bringe sie denselben schaumbedeckt in den Stall zurück, streife ihm den Zaum ab und bringe dann den todmüden Jüngling zu Bett, worauf sie sich entferne. Der neuangekommene Knecht hörte ruhig zu und der Ausdruck seines Gesichtes ließ schließen, daß er bereit sei, es mit der gefürchteten[429] Hexe aufzunehmen. Als er sich abends zur Ruhe begab, legte er sich unausgekleidet ins Bett, zog die Decke über die Nase und schnarchte bald, daß es eine Art hatte. Zur gewohnten Stunde kam die Alte wieder in den Stall und schritt, mit dem Zaum in der Hand, auf den Schnarcher los. Der aber schlief nicht und wie die Hexe dicht vor seinem Lager stand, riß er ihr blitzschnell die verhängnisvolle Halfter aus den Händen, sprang auf und warf sie der Häßlichen über den Kopf. Die Halfter tat ihre Schuldigkeit, die Alte wurde diesmal selbst zu einem Rappen, auf den sich der verwegene Bursche schwang, und fort ging's zur Tür hinaus vor die Dorfschmiede. Unter dem Vorwand, plötzlich zur Stadt zum Doktor reiten zu müssen, trieb der Knecht den Schmied an den Amboß, um dem Rappen schleunigst vier nagelneue Hufeisen aufzuschlagen. Rasch war's getan und fort ging's, aber nicht zur Stadt, sondern zur Mühle. Vor derselben angekommen, nahm der Knecht dem Schwarzen die Halfter ab, warf sie weg und ergriff die Flucht. Bald aber durchdrang die Mühle ein schauerliches Wehklagen. In ihrem Bett wand sich die Müllerin in furchtbaren Qualen: sie hatte Hände und Füße mit kräftigen Hufeisen beschlagen.


Lehrer Konert zu Hollerich

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 429-430.
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