[433] 913. Die Brotmulde zu Insenborn.

Eine für eine Hexe gehaltene alte Frau, die wegen ihrer ungeheuren Schnupftabakdose die Brotmulde genannt wurde, kam hie und da nach Insenborn. Sobald es hieß, die Brotmulde sei da, ließ sich kein Kind draußen sehen, weil die Kinder dieselbe sehr fürchteten.

Einst führte die Tochter des Schmiedes ein Pferd, auf dem sie saß, zur Tränke. Sie hatte morgens beim Aufstehen vergessen, sich mit Weihwasser zu segnen. Da begegnete ihr die Brotmulde, welche rief: »Ei, das ist ein schönes Kind; ich will es mal werfen.« Sie hob eine Erdscholle vom Boden auf und traf damit das Mädchen am Bein. Kaum war dieses nach Hause zurückgekehrt, als es Krämpfe im Bein verspürte und bald auch in sämtlichen Gliedern. Nach langem Hin- und Herraten gingen die Eltern mit ihrem Kinde nach Arlon zu den Kapuzinern, welche damals im Ruf standen, solche durch Hexen zugefügte Übel heilen zu können. Auch das Mädchen wurde geheilt, behielt aber, weil man zu lang gewartet hatte, noch das Gebrechen, daß es die Hände nur bis zu den Ohren erheben konnte.

Kurz nach dem Ereignis war Kirmes im Dorf. Auch die Brotmulde fand sich ein, sah des Schmiedes kleinstes Töchterchen, das ein niedliches, weißes Häubchen trug, und legte ihre Hand auf des Kindes Haupt, indem sie sagte: »Ei, welch schönes Häubchen!« Kaum war sie fort, so hatte das Kind das Gesicht zum Rücken gedreht. Da eilten die Eltern sofort nach Arlon, wo ihr Kind von den Kapuzinern geheilt wurde. Der Schmied aber beschloß, sich an der Brotmulde zu rächen.

Eines Tages, als er schmiedete, trat die Brotmulde zu ihm in die Schmiede und fragte, ob ihm eine Prise gefällig wäre. »Nun ja«, antwortete der Schmied, »hab aber noch ein Eisen im Feuer, das muß ich schmieden.« Er ließ das Eisen lange liegen. Dann hämmerte er drauf los, daß die Funken[433] überallhin wegsprühten; dabei schwenkte er es nach der Frau, daß ein Funkenregen ihr ins Gesicht und über die Kleider fuhr. Sie flammte am ganzen Leibe, allein das Feuer beschädigte sie nicht im geringsten. Seit diesem Vorfall ward die Brotmulde nicht mehr gesehen.


Lehrer Laures zu Insenborn

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 433-434.
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