[500] 1042. Christnach.

Nach vieljähriger Fehde zwischen den Herren von Fels und den Tempelrittern aus der Heringer Burg im Müllerthal berannten diese einst in finsterer Nacht das Schloß von Fels und erstürmten es.[500] Nachdem sie alles niedergemacht, das Schloß geplündert und in Brand gesteckt hatten, schleppten sie das Burgfräulein Christina als Gefangene mit auf die Räuberburg, um sie als Geisel des Friedens in engem Burgverließ schmachten zu lassen. In ihrer harten Gefangenschaft flehte sie um Rettung zu ihrer Schutzpatronin und gelobte, falls sie den Händen ihrer Peiniger entkomme, ihrer Beschützerin zu Ehren ein Kirchlein zu erbauen. Voll Gottvertrauen hüllt sie ihren abgemagerten Leib in Lumpen und wagt den kühnen Sprung aus dem Kerkerfenster hinab in die grausige Tiefe. Und sieh! sie stürzt nicht, sie schwebt vielmehr wie auf Flügeln getragen dem Abgrund zu, unversehrt erreicht sie den Boden. Schnell eilte sie dann in der Richung nach Fels dahin, um den Feinden, die ihre Flucht bemerkt, zu entkommen. Auf halbem Wege gelangte sie zu den Ruinen eines Dianentempels, und da sie die Häscher in der Ferne herankommen sah, verbarg sie sich schnell in das zerfallene Gemäuer. In ihrem Verfolgungseifer stürmten die Häscher vorbei – Christina war gerettet. An dieser Stelle ließ die Jungfrau über den Trümmern heidnischer Götterverehrung das gelobte Kirchlein erbauen, und bald erhoben sich um dasselbe die Wohnungen vieler Ansiedler, die von nah und fern sich hier niederließen.

Zwar besteht schon lange Christinas Kirchlein nicht mehr, aber das nach ihr benannte Dorf Christnach, das sich um dasselbe angesetzt, erinnert ewig an des frommen Fräuleins Gründung.


J. Engling, Manuskript, 29

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 500-501.
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