[545] 1118. Die Belagerung der Burg zu Zolver und die Gründung des Klosters zu Differdingen.

Ein noch lebender, fünfundsiebzigjähriger Mann aus Esch an der Alzet erzählt fogendes. Ludwig der XIV. (den er stets Ludwig den Bösen betitelte) konnte die Burg trotz aller Anstrengungen und aller strategischen Kniffe nicht erobern. Da nahm er seine Zuflucht zu einem letzten Mittel. Auf einem dem Zolverknapp, wo die Burg stand, gegenüberliegenden freien Platz ließ er durch seine Soldaten einen dem Zolverknapp gleich hohen Bergkegel zusammenführen. Als derselbe hoch genug geworden, pflanzte er die Batterien dort auf und beschoß die Burg. Da konnten sich die Belagerten nicht länger halten und mußten an Übergabe denken. Ludwig der Böse hatte blutige Rache geschworen. Die Burgfrau, welche das wußte, sann auf eine List, wie sie die ihrigen vor dem Tode retten könnte. Sie trat auf die Zinne und rief hinüber: »König Ludwig, ich habe ein Begehr an Euch. Wenn Ihr mir dieses gewährt, übergeben wir uns sofort.« – »Und das wäre?« frug Ludwig. – »So erlaubt mir, alles mitzunehmen, was ich tragen und was ich einem Esel aufladen kann.« Der König hatte nichts dagegen einzuwenden und gewährte die Bitte. Da lud die Burgfrau dem Esel Gold auf, so schwer derselbe zu tragen vermochte; sie selbst nahm ihren Mann, das Liebste und Teuerste, was sie hatte, auf ihren Rücken, und so schritten sie den Berg hinunter, nach Differdingen zu. Wie sie in die Nähe des Dorfes angelangt waren, sank die arme Frau vor Ermattung nieder. In ihrer Not gelobte sie, auf dieser Stelle mit dem geretteten Gold ein Kloster zu bauen. Gott erhörte ihr Gebet, und so entstand das Differdinger Kloster.


J.N. Moes

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 545.
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