[75] 160. Das verwundete Irrlicht.

Mein Großvater, erzählte ein alter Mann dem Referenten, diente bei Napoleon I. Ich weiß nicht mehr, wo sie ihr Lager hatten, da kam jede Nacht ein Irrlicht zu einem auf Posten stehenden Soldaten. Zuletzt wollte keiner mehr an der verrufenen Stelle Posten stehen. Da verfiel man auf ein Mittel, das Gespenst unschädlich zu machen. Auf dem vom Irrlicht jede Nacht verfolgten Wege befestigte man ein scharfes Rasiermesser. Als nun in der folgenden Nacht das Irrlicht wie gewöhnlich herannahte, lief es in das Messer hinein. Ein entsetzlicher Jammerschrei erfüllte die Luft, das Irrlicht wankte zurück und war plötzlich verschwunden. Am Morgen sah man Blut am Rasiermesser kleben, woraus man schloß, daß in jenem Irrlichte eine lebendige Gestalt verborgen war. Seither kehrte es nie wieder zum Wachtposten zurück.


Lehrer P. Hummer

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 75.
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