[195] 452. Der Freiersmann zu Esch an der Alzet.

Zu Esch an der Alzet war, wo heute der Hochofen steht, ehedem eine fette Wiese, genannt »am Brill«. Durch diese Wiese führte ein Pfad. Diesen schlug eines Abends ein Jüngling, namens Bück, ein, um sich zu seinem Lieb zu begeben. Doch hatte er kaum die Wiese betreten, als er von unsichtbarer Hand wie mit einem Waschbleuel einen kräftigen Schlag auf den hintern Körperteil erhielt. Dieser Schlag wiederholte sich mit jedem Schritt, bis der arme Bursche die Wiese verlassen hatte.[195]

Am folgenden Abend schlug er einen Seitenweg ein, der an der Wiese vorbeiführte. In einem Hohlwege angelangt, hörte er plötzlich das Rollen eines Fuhrwerkes, das ihm entgegenkam. Um jedem Unfall zuvorzukommen, erstieg der junge Mann in aller Eile den Hügel zur Seite des Weges. Kaum war er oben, so sah er dicht vor sich im Hohlweg eine Kutsche, mit zwei schwarzen Pferden bespannt, welche Feuer und Flammen aus den Nüstern hervorsprühten. Auf dem Bock saß ein gewaltiger, riesenhafter Kutscher und in der Kutsche stand ein Mann, der, als er des jungen Mannes ansichtig wurde, dem Kutscher zurief: »Reich mir den da droben ein bißchen herab!« Dem da droben aber ward es, eingedenk der gestrigen Tortur, gar sonderlich zu Mute; doch hatte er noch Geistesgegenwart genug, sein Sprüchlein zu sagen, das ihn früher seine Großmutter gelehrt hatte, und so konnte die gespenstische Erscheinung ihm nichts anhaben.


Lehrer Konert zu Hollerich

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 195-196.
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