[225] 522. Der dreibeinige Hase bei Rosport.

A. Der dreibeinige Hase von Echternach wurde auch nicht selten bei Rosport am rechten Ufer der Sauer gesehen. Fischer aus Rosport, die abends spät fischen gingen, begleitete er oft, indem er vor oder neben ihnen herlief, von dem Rosporter Wehr bis zur Rosporter Fähre oder auch bis zu dem am Saum des Hölteberges stehenden Heiligenhäuschen. Oft trachteten sie danach, ihn einzufangen, es gelang jedoch keinem, ihn zu erhaschen; und glaubte auch der eine und der andere ihn schon in den Händen zu halten, so war es, als habe er leere Luft gegriffen.


Lehrer M. Bamberg zu Steinheim


B. Bei Rosport befindet sich ein Ort in der Sauer, »die Fuhrt« genannt, wo sonst die Reisenden übergesetzt wurden. Ein Mann aus dem Dorf, der dieses Geschäft lang besorgte, bekam oft während der Nacht einen dreibeinigen Hasen zu sehen, der sich stets auf der preußischen Seite aufhielt.[225] Bald saß derselbe am Ufer oder an der Stelle, wo der Fährmann die Reisenden aussetzen sollte, bald hockte er auf der Spitze des gegenüberliegenden Berges. Er tat niemand etwas zuleide, aber jedermann ließ auch ihn gehen, denn der Schiffer hatte bemerkt, daß es mit dem Hasen nicht richtig sei, und er warnte die Reisenden, den unheimlichen Gast zu necken oder zu verfolgen. Einst kam ein Mann aus Ralingen, einem Dörfchen jenseits der Sauer, und wollte übergesetzt sein. Als man am Ufer anlangte, war auch der Hase da und der Mann suchte ihn zu erhaschen. Doch umsonst! Wenn er glaubte, er könne ihn greifen, war der Hase fort, um einige Schritte vor ihm wieder aufzutauchen. Vergebens warnte der Schiffer, abzulassen von der unseligen Jagd, denn der Hase sei vom Bösen. Allein jener fuhr fort, den Hasen zu verfolgen, bis er endlich stolperte und der Länge nach zur Erde fiel. Da ließ er vom Hasen ab und taumelte nach Hause. Totenbleich langte er dort an und fiel in Ohnmacht.

Die Überfahrenden sahen den geheimnisvollen Hasen oft so nahe an der Sauer sitzen, daß man glauben konnte, er sitze im Wasser. Mit Ruderstangen schlug man sogar nach ihm; dann schien es zuweilen, als sei er getroffen und sinke unter, um aber schon im nächsten Augenblick auf der Spitze des gegenüberliegenden Berges zu erscheinen.


Lehrer P. Hummer

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 225-226.
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