XIX. Der Priester Don Paulo.

[58] Der Priester Don Paulo hatte einen Diener. – Es klopfte an die Tür; Don Paulo öffnete die Tür, und zwei Herren traten ein. »Wie geht's, Sor Don Paulo? Ja, wir kommen, um dich einzuladen, denn heute über acht Tage heiratet unser Kind.« Don Paulo setzte ihnen nun etwas vor und wünschte ihnen dann Lebewohl mit den Worten: »Ich hoffe kommen zu können.«

Der Diener, der ein sehr schlechter Kerl war, begann jetzt und sprach: »Sor Don Paulo, von nun an koche ich dir auf eine Woche nichts mehr; lass deinen Hunger nur ja recht gross werden, damit du (bei jenem Hochzeitsfeste) recht viel vertilgen und das Essen auf diese Weise jetzt ersparen kannst!« Der Priester versetzte: »Gut! Ich werde täglich bloss etwas warmes Wasser gemessen, um desto grösseren Appetit zu bekommen; denn ich denke, ich werde mich für einen Monat sattessen. Und höre! Iss du auch nichts, damit du dich bei der Hochzeit recht vollessen kannst!«

Auf diese Weise liessen sie sieben Tage verstreichen; und es war also nur noch ein Tag Zeit, bis der Priester die Hochzeit besuchen sollte. Der Diener ging freilich täglich aus – ohne Don Paulo etwas davon zu sagen – und ass in einem Gasthause. Don Paulo sagte wiederholt zu ihm: »Du siehst bei diesem Hungern gar nicht so gelb aus, während ich nicht imstande bin, mich auf den Füssen zu halten, eben wegen des Hungers.« Der Diener antwortete: »Sor Don Paulo, du trinkst am Morgen allemal einen Schluck warmes Wasser, aber ich trinke nichts! Hab' keine Angst[58] jetzt: wir werden dann umsomehr essen und trinken!« Der Diener machte sich aber ununterbrochen über seinen Herrn lustig, denn er ging täglich aus und ass sich den Leib voll, während der Priester, weil er geizig war, kein Geld in diesen acht Tagen ausgeben wollte, um beim Hochzeitsfeste desto mehr essen zu können.

Dann – später – hatte der Diener den Wagen angespannt und sprach: »Fertig, Don Paulo! Wir wollen aufbrechen! Und wenn wir hinkommen, werde ich den Leuten sagen, dass sie dir einen guten Grog machen, – stärker soll er sein als (sonst) beim Bewirten; und ich werde dann in die Küche hinuntersteigen und dir einen Napf gute Fleischbrühe heraufholen.« Der Priester versetzte: »Schön! Du weisst ja, dass ich dich gern habe.« Der Diener sprach hierauf: »Jawohl, Don Paulo, ich weiss, dass du mich gern hast!« Als die beiden nun am Hochzeitshause ankamen und aus dem Wagen stiegen, bewillkommte man den Priester; der Diener aber besprach sich mit den Köchen und sagte zu ihnen: »Ich komme zu euch, um euch zu sagen, dass ihr dem Priester ein wenig Tee hinaufschaffen sollt; und beim Mittagsmahle stellt kein Essen vor ihn hin!« Da schafften sie für den Priester eine kleine Schale Tee und ein kleines Stückchen Brotrinde hinauf.

Jetzt rief der Priester den Diener herbei und sagte zu ihm: »Was habe ich begangen? Die letzten acht Tage habe ich nichts gegessen; ich kann den Hunger nicht länger aushalten, denn man hat mich nicht mit Getränken und Süssigkeiten bewirtet; bloss etwas Tee hat man mir gebracht.« Der Diener erwiderte: »Hab' keine Angst! Fasse Geduld, Don Paulo! Zu Mittag wird man dir reichlich gutes und süsses Essen bringen, und du wirst dich dann schon sättigen können!«

Dann schlug es Mittag, und das Essen wurde den Eingeladenen aufgetragen; aber dem Priester brachte man bloss eine kleine Tasse Tee und ein winziges Rindchen Brot. Don Paulo sprach bei sich: »Was ist das für eine Geschichte? Man bringt mir bloss ein wenig Tee? Je leerer und hungriger ich werde, desto leerer wollen sie mich machen? Ich will schnell machen, dass ich von hier fortkomme; obgleich ich Priester bin, werde ich den Leuten hier, wenn ich hinauseile, reichlich böse Worte sagen, denn das ist ja Fopperei! Jeder schluckt und isst hier feines Essen, und ich bekomme einen Schluck Tee, – gerade soviel, um meine Gedärme damit auswaschen zu können! Ich kann, bei dem Hunger, den ich habe, nicht einmal[59] die Leute erkennen!'« Da begann sein Diener: »Hab' keine Angst, Don Paulo! Fasse Geduld!« Der Priester antwortete: »Immer bloss Geduld! Soll ich hier am Tische sitzen, um das Essen bloss riechen zu können? Da will ich doch lieber hinauseilen und mir eine gute Portion irgendwoher aus dem Hause verschaffen! Du hast mir immer gesagt, dass du mir, wenn wir hierherkämen, einen guten Grog und etwas Fleischbrühe auch ausserhalb der Essenszeit bringen werdest, und hast mir nichts gebracht! Du hast mich also auch zum besten gehabt!« Der Diener antwortete hierauf: »Weisst du, was wir jetzt tun wollen, Don Paulo? Ich werde dich unter dem Hochzeitsbette verstecken und dir einen Batzen Reis und einen Batzen Makkaroni, ohne dass die Herrschaft hier etwas merkt, hin auf befördern!« Der Priester sagte hierauf: »Ja! Nimm mich also mit und stecke mich sogleich unter das Hochzeitsbett, denn die jungen Eheleute werden nun bald hineingehen und sich schlafen legen!«

Der Diener sagte hierauf: »Komm' mit!« und nahm seinen Herrn mit und verbarg ihn unter dem Bette der jungen Eheleute. Er brachte ihm einen Batzen Reis und einen Batzen Makkaroni. Jener begann sie sogleich hinunterzuschlucken – wie eine Schlange, ganz blind vor Hunger. Die jungen Eheleute liessen im tiefsten Schlafe dann und wann einen Wind streichen; Don Paulo, der still unter dem Bette lag, dachte, jene wollten ihm den Reis kaltblasen und sprach deshalb: »Nur gemach! Nein! Der Reis ist schon kalt!« Hernach erhob sich die junge Frau einmal und stieg aus dem Bette, um das Nachtgeschirr unter dem Bette hervorzuholen; sie sah niemanden unter dem Bette, denn es war dunkel. Dann stieg sie wieder ins Bett und legte sich neben ihren Gemahl. Nach einer Stunde stand sie wieder auf und sagte: »Ich werde hinuntergehen und ein Geschäft verrichten, denn mein Leib tut mir beständig weh. – das Fett (das ich gegessen habe) verursacht mir Übelbefinden!« Nachdem sie ihre Sache verrichtet, sprach sie zu ihrem Manne: »Ist hier nicht irgendwo ein Stück (Papier)?« Jener versetzte: »Such' doch unter dem Bette nach!« Nun machte sie sich daran und tastete mit der Hand unter dem Bette herum, um das gesuchte Papier zu finden; dabei bekam sie den Kopf des Priesters in die Hand und rief aus: »Was ist das?« Als sie nun an seinen Haaren zu ziehen begann – die sie für ein Stück (Papier oder sonst was Brauchbares) hielt – begann der Priester zu schreien:[60] »Wohin hast du mich gebracht, Diener? Man reisst mir die Haare aus!« Der Diener kam heraufgeeilt und fragte seinen Herrn: »Was ist dir geschehen?« Jener entgegnete: »Nun, hast du mich nicht hier unter das Bett gesteckt?« Nun schimpften auch die jungen Eheleute los: »Du, Priester, kommst und legst dich unter unser Bett? Nun mach', dass du hinauskommst, Tölpel, der du bist!«

Don Paulo eilte hinunter und befand sich alsbald in der Küche. Dort machte sich nun der Diener daran, ihm etwas Fleisch zu braten, und stellte hurtig den Tiegel mit dem siedenden Fette auf das Feuer. Gerade als das Fett ins Sieden kam, wurde geklingelt. Der Diener sprach bei sich: »Ich werde den Tiegel mit dem Fette herunternehmen und ihn im Abtrittsloche verstecken!« Gerade da musste aber auch der Priester auf den Abtritt gehen, um ein Geschäft zu verrichten. In der Dunkelheit sah er den Tiegel mit dem Fette nicht. Er zog seine Hosen herunter und wollte sich hinsetzen, – aber statt aufs Abtrittsloch geriet er auf den Tiegel mit dem Fette, das noch siedete, und verbrannte sich die ganze ›Kartoffel‹! Er begann zu schreien und eilte hinaus, mit den Hosen in den Händen und der ›Kartoffel‹ draussen!

Jetzt kamen die Angehörigen des Hauses allesamt herbei und gaben beiden, dem Priester und dem Diener, eine tüchtige Portion Prügel. Den Priester schaffte man ins Spital, den Diener aber steckte man als Gefangenen ein. – Und damit ist die Geschichte zu Ende.

Quelle:
Stumme, Hans: Maltesische Märchen. Gedichte und Rätsel in deutscher Übersetzung, Leipziger Semitistische Studien, Band 1, Heft 5, Leipzig: J.C. Hinrichsche Buchhandlung, 1904, S. 58-61.
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