XXX. Caterina.

[82] Caterina arbeitete auf dem Lande, auf dem Felde, in einsamer Gegend, sowie im Stalle. Da, wo sie war, war auch ein junger Mensch; der wollte sie heiraten. Er wollte sie zu seiner[82] Braut machen; als er ihr aber einen Antrag stellte, liess sie ihm erwidern, sie wolle ihn nicht haben. Einst, an einem Nachmittage, suchte sie ihn auf; und als sie ihn verliess, waren gegen zwei Stunden verstrichen. Sie sprach noch zu ihm: »Kannst du mir nicht einen Schluck Wasser zu trinken geben?« Der junge Mensch erwiderte: »Komm herein!« Sie ging hinein, und als sie seine Kammer betreten hatten, packte er sie und band ihr Füsse und Haare zusammen. Sie konnte die Kammer nicht verlassen. Es nahte die Zeit des Avemaria und die Nacht kam heran, – das Mädchen war aber immer noch nicht aus der Kammer herausgekommen; denn er hatte sie mit Stroh erstickt und sie in einen Sack gelegt.

Als es drei Uhr morgens war, verliess er mit dem Sacke, in dem sich die Tote befand, das Haus und wanderte mit dem Sacke ins Freie. Er wanderte weit weg und kam schliesslich an einen Brunnen. Dort befand sich ein Mann; der hatte den jungen Menschen mit dem Sacke kommen sehen; er fragte ihn: »Was hast du da?« Der Gefragte erwiderte: »Ich habe ein Tier darin; das will ich irgendwo verscharren.« Der andere begann wieder: »Du wirst nichts ausrichten!« Dann setzte er noch hinzu: »Wenn du einen Toten da im Sacke hast, so wirst du ihn (so einfach) nicht los werden! Du musst einen Rosenkranz in der Hand haben und mit diesem deinen Gang tun!«1

Das Subjekt hatte nun keinen Rosenkranz bei sich; deshalb bekam er Angst. Er ging wieder weg, stahl sich irgendwo einen Rosenkranz und warf dann den Sack richtig in den Brunnen. Da er Angst hatte, jener Fremde möchte die Geschichte mit ihm ausplaudern, sprach er zu ihm: »Sobald du erzählst, dass du mich gesehen hast, töte ich dich!« Schliesslich wurde der Mörder doch ausfindig gemacht. Man verurteilte ihn zum Tode. Später fand man den Leichnam der Caterina, den der Mörder in den Brunnen geworfen hatte, konnte ihn aber nicht ans Tageslicht befördern.

1

Wenn der Mörder nicht einen Rosenkranz in der Hand hält, kann er sich des Leichnams seines Opfers nicht entledigen; der Tote kehrt immer wieder zu ihm zurück – mag er ihn in einen Brunnen oder ins Meer stürzen oder in die Erde verscharren.

Quelle:
Stumme, Hans: Maltesische Märchen. Gedichte und Rätsel in deutscher Übersetzung, Leipziger Semitistische Studien, Band 1, Heft 5, Leipzig: J.C. Hinrichsche Buchhandlung, 1904, S. 82-83.
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