34. Warum der Pfau häßliche Füße hat.

Aus Malta.


Der Pfau hatte einst Füße mit hübschen Klauen; die paßten zu seinem ganzen Äußeren, aber sie hatten einen Fehler: sie klapperten, und der Pfau ärgerte sich oft, da er nie leise auftreten konnte. Da veranstalteten die Tiere einmal ein Fest, um zu sehen, wer von ihnen das vollkommenste Geschöpf wäre. Auch den Pfau hatte man dazu geladen, aber er schämte sich, daß die klappernden Füße seine sonst so untadlige Erscheinung beeinträchtigten, und wollte nicht hingehen. Der Hahn war gleichfalls unzufrieden, denn er hatte damals noch kein so buntes Gewand wie heutzutage, und so kam es, daß er den Pfau aufsuchte, um sich ein paar Federn zu borgen. Der Pfau hatte zwar anfangs keine Lust, von seinem Putz etwas zu opfern, aber schließlich sagte er: ›Ja, ich kann dir ein paar Federn geben, nur mußt du dich mit solchen begnügen, die am Hinterteil sitzen; die verbergen doch bloß meine Schönheit; und außerdem mußt du mir deine ritterlichen Füße leihen. Ich will zeigen, wie schön sie sich ausnehmen, wenn sie einen schmucken Körper tragen.‹ Der Hahn sagte zu, und der Pfau wollte gleich zugreifen und sich die Füße anlegen. Aber der Hahn sagte: ›Zieh nur erst deine Klauen aus, damit der Sporn richtig sitzt.‹ Der Pfau tat es und zupfte dann so viel Federn aus, daß das Hinterteil zum Vorschein kam. Der Hahn aber steckte sie sich an und war gar stolz, wie gut ihn der Federbusch kleidete. Als nun der Pfau ihm die Sporen abverlangte, lachte der Hahn ihn innerlich aus, laut aber sagte er: ›Natürlich kriegst du sie; nur muß ich erst heimgehen, um sie abzulegen. So im Freien geht das nicht!‹ Also gingen sie zusammen in des Hahnes Behausung, und dort gab der Hahn dem Pfau die Füße seines Vaters; der war aber mauserig gewesen, und die Füße waren etwas grindig, doch hatten sie schöne Sporen. Eilig zog der Pfau sie an und ging voller Stolz von dannen. Plötzlich aber kam ein kalter Wind auf, und an der Stelle, die durch das Federzupfen kahl geworden war, spürte er empfindlich frischen Luftzug. Da sah er seine Torheit ein und ging gesenkten Hauptes in die Versammlung der Tiere. Kaum hatten die bemerkt, wie er hinten so kahl war, da lachten sie ihn aus, und als er sich selbst von seinem Aussehen überzeugen[48] wollte und mit den gespornten Füßen hinaufschlug, traf ihn ein neues Unglück: die Sporen waren nur lose befestigt gewesen, und so fielen sie ab. Der Pfau wurde des Betruges angeklagt und mußte die Versammlung verlassen. Wütend suchte er den Hahn auf und verlangte seine Federn zurück. Aber dieser blähte sich auf und behauptete, der schöne Busch habe ihm von jeher gehört. Und als der Pfau seine abgelegten Klauen forderte, spottete er: ›Gib nur fein acht! Sicher trittst du mal darauf, und dann wachsen sie dir an!‹ Da ging der Pfau heim und war tief gekränkt.

Heute noch hat er seine Schmach nicht vergessen. Wenn er sich stolz aufbläht und die schillernden Federaugen entfaltet, so braucht man ihm nur auf die Füße zu sehen, um ihn ärgerlich zu machen. Auch wenn er sich unbeobachtet glaubt, kann er toll werden vor Wut, wenn er an seine Füße denkt und sieht, daß die Klauen noch immer nicht angewachsen sind. Der Hahn hat sie nämlich aus Bosheit weitergegeben, und ein anderes Tier trägt sie bis auf den heutigen Tag.[49]

Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Naturgeschichtliche Märchen. 7. Aufl. Leipzig/Berlin: 1925, S. 31-32,48-50.
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