Thomas Cantipratensis S. 495.
Ein Rittersmann hatte die Mäher auf seine Weiden geführt, damit sie dort das Gras abmäheten. Als aber[380] die Vesper in den umliegenden Kirchen läutete, weil am andern Tage das Fest eines Heiligen gefeiert wurde, da sprach einer von den Mähern: »Lasset ab von der Arbeit, denn die Vesper läutet.« Die andern wollten nicht, und als der eine das sah, da legte er sein Werkzeug hin und ging in die Vesper. Am dritten Tage nachher, als sie wieder zusammen auf die Weide gingen, sah er, daß die andern schon weit vorgemäht hatten und er noch viel nachholen mußte, und darob lachten seine Gesellen ihn aus. Er trug das ganz still und sprach kein Wort dazu. Als er jedoch die Sense faßte, um in seiner Arbeit fortzufahren, da sah er an einer Grasstoppel, die vor ihm stand, eine Goldmünze von wunderbarer und ungewöhnlicher Größe hängen, und er sank alsbald auf seine Kniee und lobete und pries Gott. Auf sein Rufen und Jubeln kamen die andern Mäher herbei und endlich auch der Rittersmann. Dieser sah alsbald, daß auf der Münze eine Schrift stand, und die lautete also: »Die Hand des Herrn hat mich geprägt und dem Armen zum Geschenke gegeben, weil er den dem Heiligen geweihten Tag nicht entheiligte.«
Des Ritters Frau hat diese Münze von dem Manne für hundert Mark gekauft und lange nachher noch vielen gezeigt.