[490] 405. Herumirren.

[490] Mündlich von M. van der Voort.


In der Nähe von Antwerpen saßen zwei Soldaten in der Schenke und neckten das Wirthsmädchen, welches recht hübsch war. Die wurde deß aber endlich müde und böse darüber, und als die Soldaten beim Herausgehen ihr ungeziemende Anträge machten, da stieß sie dieselben von sich weg, schloß ihnen die Thüre vor der Nase zu und rief ihnen nach: »Das sollt ihr nicht umsonst gethan haben.« Die Soldaten gingen weiter und lachten darüber; aber sie waren schon drei Stunden weit gegangen und konnten doch nicht nach Antwerpen kommen, wiewohl sie die Marienkirche immer dicht vor sich sahen. Da sprach der Eine: »Nun laß uns einmal ganz gerad aus gehen«, und also thaten sie und gingen gerad aus bis zum Morgen, immer auf den Thurm zu, aber sie kamen nicht an die Stadt. Da kam ein Bauer vorbei, und den fragten sie um den Weg nach der Stadt. »Ihr seid ja keine hundert Schritte davon entfernt«, lachte der Mann, »da liegt sie ja vor euch, geht nur hier dem Wege nach.« Die Soldaten dankten dem Manne und gingen dem Wege nach, und sie kamen glücklich ans Thor. Haben aber seitdem kein Mädchen mehr geneckt, denn sie gedachten immer an die Nacht und das Herumlaufen; das hatte das Wirthsmädchen ihnen angethan.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 490-491.
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