[568] 473. Der dienstbare Geist.

Caesarii heisterbacensis (1220) dialogi miraculorum dist. V, v. Biblioth. patrum cisterciens., tom. II, fol. 149, ed. Bonofont. 1662.


Zu einem Soldaten kam einmal der Teufel in menschlicher Gestalt und bot seine Dienste an. Da der Böse das Aussehen eines schönen Jünglinges hatte und dabei auch wohl zu reden wußte, so gefiel er dem[568] Soldaten gar sehr, und er wurde angenommen. Nie stieg der Soldat zu Pferde, nie saß derselbe ab, oder der Jüngling kniete und hielt ihm den Bügel; er war bescheiden, vorsichtig in allen Dingen, verschwiegen und immer fröhlich; kurz, er besaß alle Tugenden, welche man sich nur wünschen mochte.

Eines Tages waren beide zusammen ausgeritten und an einen großen Fluß gekommen, als der Soldat, hinter sich schauend, mehre seiner Todfeinde erblickte, welche auf ihn zu sprengten. Er sprach: »Wir müssen sterben, denn meine ärgsten Feinde verfolgen uns; den Fluß können wir nicht überschreiten, und es ist auch anders kein Zufluchtsort für uns.« Da antwortete der Diener: »Fürchte nichts, Herr, ich kenne die Seichten des Flusses; folge mir nur, und wir werden hinüber gelangen.« Darauf stutzte der Soldat und sprach: »Kein Mensch hat hier noch über den Fluß gesetzt«; doch drängte die Gefahr immer mehr, und endlich entschloß er sich, seinem Diener zu folgen, und beide kamen glücklich hinüber. Die Feinde aber standen bestürzt und wagten nicht, ihnen nachzugehen, und sprachen: »Der Teufel muß ihn hinüber geführt haben; es ist anders nicht möglich.«

Einige Zeit nachher wurde des Soldaten Frau todtkrank, und alle Aerzte verzweifelten an ihrem Leben. Da sprach der Diener: »Wenn unsere Herrin mit Löwenmilch eingerieben würde, dann wäre sie bald genesen.« Der Soldat entgegnete: »Ja, wo kann man diese aber bekommen?« – »Ich werde sie schon holen«, antwortete der Diener, und noch war keine Stunde verlaufen, als er mit einem großen Gefäße voll zurückkehrte. Man rieb alsbald die Frau damit ein, und sie genaß zur selben Stunde. Da fragte der Soldat den Diener, wo er also schnell die Löwenmilch hergeholt habe. »Von den Bergen Arabiens«, antwortete dieser. »Als ich von[569] dir ging, da eilte ich nach Arabien in die Höhle einer Löwin, jug die Jungen hinweg und melkte die Alte; dann kam ich zurück.« Der Soldat staunte und fragte weiter: »Wer bist du denn?« – »Darnach forsche nicht«, sprach der Diener, »ich bin dein Knecht.« Der Soldat drang jedoch noch mehr in ihn, und da gestand er: »Ich bin ein böser Geist und aus dem Himmel verstoßen.« Das wunderte den Herrn und er sprach: »Wenn du ein Teufel bist, wie kannst du den Menschen dann so treulich dienen?« – »Es ist mir ein großer Trost«, erwiederte der Knecht, »den Menschen zu dienen.« Der Soldat aber sprach, er könne nun nicht mehr mit ihm leben, da er das wisse; der Diener antwortete: »Wie du willst; wenn du mich aber bei dir behieltest, es würde dir nimmer Leides geschehen.« – »Ich wage es nicht«, fuhr der Soldat fort, »steht dir aber etwas von meinem Gute an, so nimm es; denn niemals hat ein Mensch dem andern so getreu gedient. Durch dich entrann ich dem Tode, und meines Weibes Leben verdanke ich dir.« Der Knecht entgegnete, er wolle nichts, als fünf Schillinge, und als sein Herr ihm die gegeben hatte, gab er sie zurück und sprach: »Lasse davon ein Glöckchen gießen und hange es über die Thüre der armen Kirche dort, damit man mit demselben die Gläubigen zum Gebete rufe.« Darauf verschwand er, und der Soldat that, wie er gewünscht hatte.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 568-570.
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