[570] 474. Rothmützchens Rache.

Mündlich.


Ein armer Bauer, dessen Frau plötzlich krank geworden war, stand in der Nacht auf, um zu buttern.[570] Er hatte am Vorabende schon alles bereit gestellt und die Milch in großen Töpfen neben das Feuer gesetzt, damit ihm die Arbeit um so schneller von der Hand ginge. Als er aber in die Kammer trat, sah er zu seinem großen Erstaunen das Feuer noch still brennen und vor demselben ein kleines Männchen sitzen, welches halb schlummerte. Durch des Bauern Holzschuhe geweckt, erwachte der Kleine, richtete sich auf und sah den Mann starr an, ohne jedoch ein Wort zu sprechen. Der Bauer sprach eben so wenig, blickte jedoch einmal verstohlen von der Seite auf den Kleinen, und erkannte, daß derselbe von Kopf bis zu Fuß in Roth gekleidet war und ein grünes Gesicht und grüne Hände hatte; dann schaute er wieder vor sich hin, nahm in der Ecke ein Bund Reisig und warf dieß neben den Heerd, worauf er ruhig schlafen ging. Am andern Morgen war die Butter fix und fertig, so daß er sie nur auf den Markt zu tragen brauchte; außerdem aber war es mehr, als er je aus seiner Milch gewonnen hatte. Seine Frau gesundete bald nachher; das Rothmützchen butterte ihm fortwährend, und der Mann wurde langsam so reich, daß er viele Kühe halten, sich ein schönes Haus bauen und noch einen ganzen Strumpf voll schöner Thälerchen zurücklegen konnte. Und das war auch kein Wunder, denn das Rothmützchen that ihm langsam auch alle andere Arbeit; es pflügte seine Aecker, besorgte sein Vieh und richtete mehr aus, als drei starke Knechte.

Aber der Vorsput verwöhnte den Bauer; er ging nun alle Abende in die Herberge, verspielte viel Geld und kam regelmäßig trunken nach Hause. Das gefiel dem Rothmützchen nicht, und es machte ihm Vorwürfe, worauf er anfangs auch hörte. Bald vergaß er sie aber wieder und verging sich gar so weit, daß er in einer Nacht, wo er auch spät und trunken nach Hause kam,[571] das Rothmützchen derb ausschimpfte und das Reisigbündel, welches seine Frau sorgfältig zugerichtet hatte, in den Brunnen warf.

Im selben Augenblicke verschwand Rothmützchen. Am andern Morgen war die Frau des Bauern krank, sein Strumpf, statt mit Thalern, mit Kohlen gefüllt, seine Kühe todt, sein Haus und seine Ställe verfallen, und seine Felder verwüstet. Da kam der Bauer wohl zur Besinnung; aber es war zu spät, und wie er auch das Rothmützchen bitten und flehen mochte, das Unglück wieder zu entfernen, alles half nichts; im Gegentheile, in der folgenden Nacht lachte das Rothmützchen um sein Haus herum und spottete seiner.

Der Mann ist auch bald nachher in Armuth und Elend gestorben.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 570-572.
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