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[575] Mündlich.
Vergl. Nr. 206, S. 308.
Ein Müller im Kempnerlande fand jeglichen Morgen seine Arbeit in der Mühle verrichtet, wenn es noch so viel war; aber nur, wenn er etwas von seinem Butterbrote liegen ließ, welches dann verzehrt und verschwunden war. Das wunderte den Mann, und eines Abends steckte er sich hinter einige Mehlsäcke, und sah ein nacktes Kaboutermännchen kommen, und das Butterbrot essen und in der Mühle arbeiten. Es that dem Müller leid, daß das Männchen nackt war; darum ging er zu einem Schneider und ließ ihm ein Höschen und ein Jäckchen machen, und legte das am andern Abende zu dem Butterbrote. Das Kaboutermännchen kam und sprang vor Freuden, als es den schönen Anzug sah; schnell aß es das Butterbrot, zog die Kleider an, stolzirte in der Mühle auf und ab, und war weg, ohne daß der Müller sah, wo es hingekommen wäre. Es kam auch nicht wieder.
Da dachte der Müller: »Wart, ich will dich schon kriegen!« und ging an einen Steg am Bache sitzen, wo die Kaboutermännchen jeglichen Abend herüber kamen. Es dauerte auch nicht lange und sie erschienen. Als das[575] erste auf den Steg trat, fragte es den Müller: »Wer bist du, Mann?« aber der Müller antwortete nicht; denn er wartete nur auf das angekleidete Kaboutermännchen, und die er sah, waren nackt. Das zweite fragte auch: »Wer bist du, Mann?« aber er schwieg still, und so ging das fort, bis das letzte kam, und das trug die Kleider, welche der Müller in die Mühle gelegt hatte. »Haha«, rief der Müller, »habe ich dich?« und wollte das Männchen packen; aber da schrie plötzlich eine Stimme, wie die seiner Frau, aus dem Bache um Hülfe, und der Müller sah um und plumpste ins Wasser. Die Kaboutermännchen waren aber weg.