[584] Mündlich aus Hall.
Ein wilder Geselle kam eines Abends spät nach Hause; als er eben den Schlüssel in die Thüre stecken wollte, hörte er etwas an der Erde, und das ging immer ticktack, ticktack, ticktack. Er bückte sich nieder und fand eine silberne Uhr, die er freudig in die Tasche steckte. Auf seiner Kammer angekommen, nahm er sie wieder heraus, um beim hellen Mondschein zu sehen, wo der Zeiger stände. In dem Augenblicke schlug es auf der Kirche zwölf und die Uhr wurde kalt und eisig in seiner Hand, und als er genauer zuschaute, war es eine dicke Kröte. Erschrocken schleuderte er sie zur Erde, da stand plötzlich ein großer Hund neben ihm mit Augen, wie Laternen, und als der ihn eine Weile so angeguckt hatte, daß der Bursche vor Angst auf sein Bette fiel, sprang das Fenster auf und der Hund heraus und von draußen scholl es lange nach: Hahaha! Da erkannte der Bursche, daß es Lodder gewesen war.
Samstags Abends gehen die Bauernbursche gewöhnlich an das Fenster ihrer Mädchen und sprechen sich mit denen ab, wo sie sich am Sonntag treffen wollen. Ein Bursche aus Tissel wollte das auch ein mal thun; er mußte aber, um zu dem Hofe zu kommen, wo sein Mädchen wohnte, über einen Bach. Als er aber an die Stelle kam, wo die Brücke war, fand er diese nicht, wohl aber Lodder im Grase sitzend. »Was willst du?« fragte Lodder. »Ich will zu meinem Mädchen gehen«,[584] antwortete der Junge, »aber ich sehe die Brücke nicht.« – »Da kann ich dir helfen«, sprach Lodder und legte sich quer über das Wasser in seiner ganzen Länge, so daß seine Pfoten an das jenseitige Ufer reichten, und der Bursche faßte sich ein Herz und ging über Lodders Rücken und Hals und Arme, und als er am andern Ufer war, dankte er ihm höflich. Am Fenster seines Mädchens angekommen, nahm er eine Egge und stieg hinauf, und als er lange mit Mieken gesprochen und sie noch einmal herzlich geküßt hatte, machte er sich auf den Rückweg. In einem Stücke Korn, wo er vorbei mußte, hörte er einen kleinen Jungen erbärmlich schreien. Er ging auf die Stimme zu und fand einen Knaben von ungefähr acht Jahren; den nahm er auf den Rücken und ging weiter bis zum Bache, wo Lodder noch saß. »Was hast du da?« fragte Lodder. »Einen armen Jungen«, antwortete der Bursche, »und den will ich mitnehmen nach Hause bis morgen, dann wird er wohl seine Eltern wiederfinden.« – »Gut«, sprach Lodder und streckte seine Pfoten aus und legte sich wieder über den Bach. Als der Bursche aber über Lodders Beine schritt, da wurde der Knabe schwer auf seinem Rücken und Lodder rief: »Du bist mir zu schwer, ich laß dich fallen.« – »Wart' noch ein bischen, lieber Lodder«, sprach der Bursche, »ich bin gleich drüben.« Aber der Knabe wurde schwerer und schwerer, und als sie auf Lodders Rücken waren, da blies er heiß in des Burschen Nacken und schlug lange Nägel in dessen Schultern, und zugleich verschwand Lodder und der Bursche fiel ins Wasser, wo er schnell ein Kreuz schlug und sich also von dem Knaben befreite. Dann arbeitete er sich aus dem Bache heraus und lief, was er konnte, nach Hause, während es hinter ihm Hahaha! scholl.