Die Andacht in der Kirche.

[123] Es war einmal ein Mann, der sehr ungern in die Kirche ging; auf jede Aufforderung zum Kirchenbesuch erwiederte er: Diejenigen, welche regelmäßig in die Kirche gehen, sind nicht immer die besten Menschen, auch in der Kirche wird viel gesündigt, vornehmlich dann, wenn man nicht einem innern Zuge, sondern der Gewohnheit dahin folgt. Eines Sonntags kam er jedoch auch zufällig hinein. Er sieht sich die Erschienenen an, doch wie muß er staunen, als er, an die Wand gelehnt, auch den Teufel mit dem Griffel in der Hand daselbst erblickte. Vor ihm lag eine große Ochsenhaut ausgebreitet, auf welche er die in der Kirche vorfallenden Ungehörigkeiten der Anwesenden verzeichnete. Der Teufel schrieb ohne Aufhören. Schon war die ganze Haut beschrieben, keiner der Anwesenden fehlte darauf; der seltene Kirchengast allein machte eine Ausnahme. Den Teufel ärgerte es, daß dieser allein mit heiler Haut davon kommen sollte; was that er also? Er faßte die Ochsenhaut mit den Zähnen an und zog aus Leibeskräften. Ein unbegreifliches Etwas hielt die Haut fest; plötzlich jedoch gab dieselbe nach, und der Böse schlug mit dem Kopfe dermaßen gegen die Wand, daß er liegen blieb. In diesem Augenblicke konnte unser seltener Gast sich nicht länger halten; er fing an über den bösen Fall herzlich zu lachen. So weit wollte ihn der Böse haben. Mit einer höhnischen Grimasse brachte er auch ihn in die Liste.6

Aus Gilgenburg.

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Dieselbe Geschichte theilt Firmenich in den Völkerstimmen Germaniens, Bd. 3, S. 636, aus der Gegend von Conitz mit. Es muß hervorgehoben werden, daß so regelmäßige Kirchengänger, wie die Masuren, die Geschichte sehr gut kennen.

Quelle:
Toeppen, M.: Aberglauben aus Masuren, mit einem Anhange, enthaltend: Masurische Sagen und Mährchen. Danzig: Th. Bertling, 1867, S. 123-124.
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