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[102] Nach einem kujawischen Volksglauben kann man den Teufel mit einem Stecken aus Erlenholz prügeln, so dass er die Schläge fühlt; die Äste an dem Stecken[102] müssen aber kreuzweise stehen. Dasselbe kann mit einem Lindenstock geschehen (vgl. Blätter f. pomm. Volkskunde 10, 153 f.), und mit einem Stricke aus Lindenbast kann man den Teufel fangen, so dass er nicht entschlüpfen kann. Dieser Glaube hängt ohne Zweifel mit der uralten Heiligkeit des Lindenbaumes zusammen. Herr Lehrer A. Szulczewski in Brudzyn teilt mir aus Kujawien zwei interessante Sagen mit, die diesen Glauben illustrieren und deshalb wohl verdienen, hier mitgeteilt zu werden.
Ein Mann sprach stark dem Branntweinglase zu und ging deshalb Tag für Tag ins Gasthaus. Wenn er dann spät nach Hause zurückkehrte, gesellte sich stets ein Fremder zu ihm, welcher sagte, er sei der Nachbar. Da dies Nacht für Nacht vorkam, merkte der Säufer schliesslich doch, was für einen Nachbarn er habe. Er ging deshalb zu einer Linde und schnitt sich einen tüchtigen Stock von derselben ab. Aus dem Baste der Linde machte er einen Strick. Als er am nächsten Abend wieder zum Gasthause ging, nahm er diese Sachen mit. Beim Nachhausegehen wartete auch schon der Nachbar auf ihn. Eine Weile gingen sie miteinander. Da machte der Säufer einen Witz, so dass der angebliche Nachbar lachen musste. Darauf hatte der Säufer nur gewartet. Schnell warf er dem Nachbarn den Lindenstrick über den Kopf und legte ihn dann in seinen Mund, wie einem Pferde die Zügel. Da wurde aus dem Nachbarn ein grosses, schönes Pferd. Der Säufer nahm dasselbe mit sich nach Hause. Seiner Frau erzählte er, dass er ein Pferd gekauft habe. Sie glaubte es ihm aber nicht, sondern meinte, er rede im Dusel. Als sie sich jedoch überzeugt hatte, brach sie in Verwunderung aus über die Schönheit des Tieres. Der Mann liess nun das Pferd angebunden an einem Baume stehen und gab ihm kein Futter. Am nächsten Morgen spannte er es in einen Pflug und pflügte sein ganzes Feld um, wobei er grössere Furchen machte als anderwärts mit zwei Pferden üblich waren. Auch für die Nachbarn pflügte er, bis zuletzt keine Arbeit mehr für ihn im Dorfe war. Dann band er das Pferd an einen Baum im Garten und ging ins Gasthaus. Seiner Frau verbot er aufs strengste, etwas mit dem Pferde zu machen.1 Als aber der Mann fort war, da hatte die Frau doch Mitleid mit dem Tiere, das den ganzen Tag über noch kein Futter bekommen hatte. Sie ging daher hinzu und nahm ihm den Halfter ab, damit es etwas grase. Da aber war der Teufel befreit. Unter Sturmgebraus und Erdbeben verschwand er vor den Augen der erschrockenen Frau und hat sich seitdem dem Säufer nie wieder gezeigt. –
Die zweite Sage lautet: Auf einer Mühle trieb der Teufel sein Unwesen, so dass es in der Nacht niemand dort aushalten konnte. Manchmal wehte des Nachts der schönste Wind, aber der Müller getraute sich nicht, die Mühle zu besteigen. So ging denn sein Geschäft den Krebsgang, und er wurde immer ärmer. Eines Tages kam eine Bettelfrau zu dem Müller und bat um ein Almosen. Allein der Müller hatte selbst nichts und erzählte der Frau, wie es mit ihm bestellt sei. Da lachte die Bettlerin laut auf, machte ihm Mut und sagte, er solle nur ohne Sorge sein, ihr etwas zu essen geben und dann ihren Rat hören. Natürlich war niemand froher als der Müller; er setzte der Frau vor, was er hatte. Nachdem diese sich gesättigt hatte, ging sie zu einem Lindenbaum und machte aus dem Baste des Baumes einen Strick, nahm einen Sack voll Sand und bestieg des Nachts die Mühle. Als sie die Tür öffnete, lief der Teufel die Treppe herunter, gerade auf sie zu. Die Frau reichte ihm schnell den Sack mit dem Sande hin und bat ihn,[103] ihr das zu mahlen. Gleich machte sich der Teufel daran, die Schnur aufzubinden. Darauf hatte die Bettlerin nur gewartet. Schnell warf sie dem Teufel die aus dem Baststrick gemachte Schlinge um den Hals, und nun hatte er keine Macht mehr. Die Bettlerin führte ihn am Schnürchen, wohin sie wollte. Sie kam bald darauf in ein ödes Gasthaus, und hier band sie ihn mit dem Stricke hinter dem Ofen fest. Sieben Jahre musste der Teufel dort sitzen, und weil er in diesem entlegenen Hause wenig Böses zu hören bekam, magerte er ab, so dass er zuletzt einem alten Besen ähnlich sah.
Eines Tages ging ein Wanderer an dem Gasthause vorbei und hörte, wie der Teufel vor Hunger und Kälte heulte. Neugierig ging er hinein und fand dort den Teufel. Dieser bat ihn um Erlösung; er wolle ihm auch dankbar dafür sein. Und den Wanderer jammerte der arme Teufel, und er befreite ihn von dem Stricke. Der Teufel sagte nun dem Wanderer, er wolle an drei Stellen spuken; dann solle der Wanderer kommen und ihn jedesmal vertreiben, wofür er reichen Lohn ernten werde. So ging der Teufel zuerst zu einem reichen Gutsbesitzer und spukte dort überall herum. Der Wanderer kam auch dorthin und erfuhr von dem Spuk. Er erbot sich sogleich, denselben zu vertreiben, wenn er gut dafür bezahlt bekäme. Seine Hilfe wurde natürlich gern angenommen. Als es Nacht geworden war und der Teufel auf dem Boden zu rumoren anfing, bestieg der Wanderer die Bodenleiter. Kaum sah ihn der Teufel, da riss er den Giebel des Hauses auf und lief von dannen. Der Wanderer wurde gut bewirtet, und da es seit dieser Zeit aufhörte zu spuken, so bekam er 100 Taler zum Lohn. Ebenso tat der Wanderer auch auf der zweiten und dritten Stelle, und auch hier wurde er reichlich belohnt. Der Teufel lief jetzt zu einem vierten Gutsbesitzer. Der Wanderer hatte zwar kein Recht mehr, ihn auch von dort zu vertreiben, er ging aber doch hin. Langsam bestieg er wieder die Bodenleiter, aber da kam ihm der Teufel erbost entgegen und fragte ihn, was er hier von ihm wolle. Schon streckte er seine Krallen aus, um dem Wanderer den Kopf abzureissen, da rief dieser dem Teufel in seiner Todesangst zu: »Die Frau mit dem Baststrick ist da!«2 Und schnell[104] wandte sich der Teufel um, riss den Giebel des Hauses auf und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Der Wanderer erhielt auch hier eine reiche Belohnung und ging seines Weges.
1 [Zu der folgenden Entzauberung des Pferdes vgl. Grimm, KHM. 68 ›De Gaudeif un sien Meester‹, wo aber nicht der Teufel, sondern sein Lehrling sich in ein Pferd verwandelt hat.]
2 [Dies ist eine Variante zu Macchiavellis bekannter Novelle ›Belfagor‹, über die wir eine Untersuchung von A. Gerber erwarten. Vgl. Benfey, Pantschatantra 1, 525 f. Çukasaptati, textus simplicior übersetzt v.R. Schmidt 1894 No. 46–47. H. Sachs, Fabeln ed. Goetze 1, No. 177. Wlislocki, Zs. f. vgl. Litg. 10, 71. Polívka, Archiv f. slav. Phil. 19, 246. 254. Blätter f. pomm. Volkskunde 1, 163. Oben 6, 324 usw. – Herr Professor G. Polívka in Prag bemerkt hierzu brieflich: Ähnlich ist eine von Kolberg, Lud 14, 231 No. 54 aus dem Posenschen aufgezeichnete Sage. Sie beginnt mit einem anderen Stoff, der bei den Polen wie auch bei anderen slawischen Stämmen stark verbreitet ist, erzählt aber weiter ganz anders. Der Teufel stahl einer armen Witwe das letzte Stück Brot, das sie am Tische für ihre Kinder gelassen hatte, und wurde daher vom Obersten der Teufel weggejagt, er soll zu dieser Witwe arbeiten gehen. Das Weib erkannte, dass das der Teufel ist, und verhielt sich demnach: sie spannte ihn in einen Pflug, nachdem sie Zaum und Peitsche aus Lindenbast gemacht hatte, pflügte mit ihm fast den ganzen Tag, nicht einmal nachts spannte sie ihn aus. Endlich erbarmte sich des Teufels ein Wanderer und befreite ihn. Der Teufel versprach, ihn zu einem grossen Doktor zu machen. Es folgt nun die bekannte Erzählung vom bösen Weibe, mit welchem der »Doktor« den Teufel zuletzt ganz vertreibt. – Ähnlich fing in einem im nordöstlichen Böhmen aufgezeichneten Märchen (Národní pohádky a pověsti ... Slavie 1878, S. 129) ein Bauer den »hastrman« (Wassermann), warf auf ihn einen Strick aus Lindenbast, verwandelte ihn so in ein Pferd und arbeitete mit ihm, bis er zu Haut und Knochen eintrocknete. Er achtete immer darauf, dass dieses Pferd nie zum Wasser kam. Als er aber einmal abwesend war, fütterte sein Knecht die Pferde und gab auch diesem Pferde zu trinken; plötzlich stand ein grünes Herrchen vor ihm und dankte ihm, dass er ihn befreit habe. Gleicherweise wird noch in einem südböhmischen Märchen erzählt (ebd. S. 130), wie die Bauern den »hastrman«, weil er ihre Kinder in den Teich lockte, in Bastschlingen fingen, in einen Stall einsperrten, »auf das Tier mit dem Bast einschlugen« und ihn erst freiliessen, als er ihnen feierlich versprochen hatte aus dem Teiche wegzuziehen. – Nach dem Glauben der Lausitzer Wenden (Černý, Mythiske bytosće łužiskich Serbow S. 362 f.) kann gleichfalls der Teufel mit Lindenbast festgebunden und mit einer Peitsche daraus vertrieben werden.]
Rogasen.
Otto Knoop.
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