Wie der Handbub das Jauchzen und Jodeln lernte.

[43] Als man einst bei der Entladung der Alp von Compadiels einen Melkstuhl vergessen hatte, sollte der Handbub hinauf, denselben zu holen. Er ging, kam aber erst am Abend spät zur Alphütte und blieb dort übernacht; er konnte aber nicht recht einschlafen.

Um die Zwölfe erwachte er vom leichten Schlummer, und erblickte zu seiner großen Verwunderung um den Feuerherd drei Sennen, von denen Einer auf dem Melkstuhle saß, den er heim holen sollte.

Diese drei thaten nun Milch in den Kessel, und gaben davon dem Handbuben; er trank, und so gut hatte noch nie die Milch ihm geschmeckt. Sie ließen ihm auch die Wahl zwischen drei Künsten:[43] »gut singen, gut jauchzen und jodeln, oder gut pfeiffen« zu können. – Er wollte gut jauchzen können.

Am Morgen nun, als er mit dem Melkstuhle bergab sprang, wollte er seine Kunst probiren, und wirklich konnte er jauchzen, daß er sich selber gern hörte und immer zujauchzte. – Als er nun drunten im Thale so schön jauchzte und jodelte, verwunderten sich seine Kameraden sehr, und er mußte ihnen erzählen, wie er es erlernt habe. – Der Senn wollte auch so schön jauchzen können, und ging an einem Frühlingsabend in die Alphütte hinauf, um von den drei fremden Käsern das Jauchzen und Jodeln zu lernen. – Es ging ihm Anfangs wie dem Handbuben, aber zu ihm sagten die drei Sennen, als sie ihn auf dem Lager im Winkel erblickten: »Dich hat Niemand geheißen.« – Sie zerrissen ihn in Stücke.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 43-44.
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