34. Die Botschaft vom Himmel

[259] Ein armer Mann, der nicht mehr wußte, wie sich ernähren, verließ einmal heimlich sein Haus, Weib und Kind ihrem Schicksal überlassend. Nachdem er einige Zeit hin und her gezogen war, kam er zum erstenmal, solange er lebte, in eine große Stadt mit hohen, prächtigen Häusern. Die Hände über den Rücken gefaltet, ging er langsam durch die Straßen, indem er keinen Blick von den hohen Fenstern der schönen Gebäude verwandte, oft auch ganz stehenblieb.[259]

So glotzte er auch mit weit aufgerissenem Munde zu einer reichgekleideten Frau hinauf, die eben auf die Straße heruntersah. Diese redete ihn an: »Woher kommst du denn und was wundert dich so?« Kurz besonnen entgegnete der Gefragte: »Ich bin vom Himmel gefallen, liebe Frau, und habe noch nie eine Stadt gesehen.« – »Vom Himmel«, rief die Frau einfältig hierauf, »da müßtest du ja meinen Sohn kennen, der mir vor einem halben Jahre gestorben ist.« – »Wie hieß er denn?« fragte der Schelm wieder, sich heimlich über seinen Spaß freuend; und als er den Namen vernommen hatte, sprach er mit erheuchelter Betrübnis: »Ach freilich, liebe Frau, freilich kenn ich ihn, aber es geht ihm dort recht schlecht, denn er hat kürzlich im Kartenspiel dreihundert Gulden verloren. Dieses leidige Kartenspiel! Man nahm ihm seine guten Kleider, gab ihm stattdessen schlechte Lumpen und warf ihn in den Schuldturm, wo er noch schmachtet.«

Darauf verfiel die gute Mutter in ein großes Jammern, indem sie laut klagte: »O mein Sohn, mein unglücklicher Sohn! Wie stell ich es an, dir zu helfen?« Der Bauer wußte da schnell guten Rat und sprach: »Liebe Frau, es ist in der Tat nötig, daß Ihr Eurem Sohn zu Hilfe kommt, denn wenn er in vierzehn Tagen seine Schulden nicht bezahlt, so wird er aus dem Himmel gestoßen. Wenn Ihr ihm etwas zu sagen habt, so gebt mir den Auftrag, denn ich gehe von hier geradezu in den Himmel.« Mit freudigen Blicken rief die Frau den schlauen Bauer zu sich ins Haus herauf und gab ihm für ihren Sohn Kleider, Wein und Brot nebst dreihundert Gulden, damit er seine Schulden bezahlen könne.

Der Bauer versprach, er wolle das alles getreulich überbringen, suchte dann aber so schnell wie möglich weiterzukommen. Als der Mann der einfältigen Frau heimkam und diese ihm die Nachrichten vom verstorbenen Sohn mitgeteilt, auch gesagt hatte, welche gute Gelegenheit ihr zuteil geworden sei, für ihn zu sorgen, so machte ihr der Mann heftige Vorwürfe wegen[260] ihrer Einfalt und ließ sich dann eilends ein Pferd satteln, um den spitzbübischen Lügner einzuholen. Da dieser merkte, daß man ihm nachkomme, versteckte er die Kleider in einem Graben, und setzte sich, einem Bettler gleich, an der Straße nieder. Seinen Hut deckte er auf ein Häuflein Unrat, das er zufällig neben sich erblickte, und erwartete so ruhig den Reiter.

Als dieser herankam, sprach er ihn um ein Almosen an. Der Städter fragte ihn aber, ob er keinen Bettler mit einem Bündel Kleider gesehen habe. Der Gefragte bejahte das: Gleich in dem nahen Wald sei er einem solchen auf einem schmalen Holzwege begegnet. Da verlangte der Reiter, er solle ihm den Weg zeigen, denn es liege ihm alles daran, den Bettler einzuholen. Der Schlaue erkünstelte jedoch einen zähen, hartnäckigen Husten und sagte: »O Herr, wie sollt ich mit Eurem Roß gleichen Schritt halten, da mich meine Füße kaum im langsamsten Schritte tragen! Wenn Ihr auch noch so langsam reiten wolltet, wir würden den, den Ihr sucht, nimmermehr erreichen. Der Weg ist schlecht und schwer zu finden, denn er führt durch vieles Gestrüpp.« – »Was ist aber zu machen?« fuhr der Reiter fort, »ich muß den Bettler haben.« – »Hm!« entgegnete listig jener hustend, »ich kenne den Weg wohl und würde mich, wenn ich zu Pferd wäre, getrauen, den zu fangen, den Ihr sucht, aber den Platz hier kann ich nicht verlassen, denn ich habe da unter meinem Hut einen sehr seltenen Vogel. Er ist mein ganzes Vermögen, da ich ihn für Geld sehen lasse.« – »Höre mich«, sprach der Reiter hierauf, »ich gebe dir mein Pferd, setze dich auf und fange jenen Bettler, ich will indessen hier warten und deinen Vogel hüten.«

Nach einigem scheinbaren Besinnen willigte der Schalk ein, und bald war er in dem nahen Walde verschwunden, aus dem er noch heute wiederkehren soll. Nachdem der betrogene Städter bis gegen Abend gewartet hatte, griff er unter den Hut, um wenigstens den fremden Vogel mit heimzunehmen, aber[261] schnell zog er zurück, denn er merkte, daß er garstig betrogen war. Zornig sprang er auf und ging, da er nun nicht mehr zu warten brauchte, nach Hause, wo er in später Nacht ankam. Als die Frau nach dem Pferd fragte, gab er ihr keine Antwort; doch machte er ihr auch keine Vorwürfe mehr, daß sie sich von dem Bauern habe betrügen lassen.

Quelle:
Schott, Arthur und Albert: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat. Bukarest: Kriterion, 1975, S. 259-262.
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