35. Baowao, baowao! Pittpallak, pittpallak!

[262] In einem Dorf lebte einmal eine schöne Wirtin, welche natürlicherweise viele Anbeter und Verehrer unter denen zählte, die täglich kamen und hier zechten. Der Wirt, ihr Mann, fühlte sich aus begreiflichen Gründen dadurch geehrt und ließ manche Blicke und Winke wie unbemerkt frei geschehen, welche ein anderer Ehemann gewiß aufs eifersüchtigste bewacht hätte. Nun waren in dem Dorfe ein paar Leute, die sich durch ihren Reichtum vor allen übrigen hervortaten und damit auch vor der schönen Wirtin prahlten, denn sie hatten es auf dieselbe abgesehen. Sie begnügten sich nicht allein mit ihren in öffentlichen Gesellschaften gemachten Anerkennungsgebärden gegen die Schönheit von eines andern Frau, sondern sie spannten auch heimlich ihre Netze aus, um die Tugend derselben zu Fall zu bringen. Waren nun jene zu schwach gesponnen und gestrickt, oder war diese zu stark, die Geschichte erzählt dies nicht, sondern man weiß nur, daß die Wirtin sich lange Zeit tapfer hielt und sich den beiden heimlichen Bewerbern gegenüber durchaus nichts vergab. Diese ließen aber ihren Mut nicht sinken, und was sie vielleicht in derlei Geschäften zu schwach waren, ersetzten sie durch unverdrossene Geduld. Als das schöne Weib sich vor den Zumutungen der beiden Verehrer nicht mehr anders zu helfen wußte, wurde sie nachgiebig[262] und versprach denn eines Tages dem einen ein Stelldichein, welcher darüber äußerst glücklich war. Um die Sache aber recht geheimzuhalten, gab ihm das schlaue Weib Ort, Zeit und Stunde an, da er sich am oberen Ende von ihres Mannes Kornacker einfinden sollte. Damit er sie aber auch sogleich finden und sich niemand Fremdes in ihren zärtlichen Handel drängen könne, gab sie ihm auch eine Losung, das heißt, er solle nur horchen, und wenn er unten im Acker den Ruf des Wachtelweibchens »Baowao! Baowao!« höre, solle er antworten: »Pittpallak! Pittpallak!« Alsdann wollten sie gegenseitig auf allen vieren, um nicht gesehen zu werden, in dem dichtbestandenen Kornfelde zusammenkriechen und eine glückliche Stunde feiern. Der Mann merkte sich dies alles haarklein und lobte die Klugheit der schönen Frau, während sein Gesicht vor innerem Vergnügen strahlte.

Der andere, welcher natürlich von alledem nichts ahnte, gab unterdessen in seinem Liebesfeuer nicht nach und setzte der schönen Wirtsfrau ebenfalls so zu, daß sie nicht mehr umhin konnte und ihm am Ende auch ein Stelldichein versprach, wozu sie ihm aber auch denselben Ort, dieselbe Zeit und Stunde bezeichnete wie kurz zuvor dem ersten, nur daß sie dem zweiten sagte, er möge unten im Acker warten und ihr mit dem Wachtelruf: »Baowao! Baowao!« ein Zeichen geben. Er solle dann auf ihre Antwort: »Pittpallak! Pittpallak!« hören und auf allen vieren durch das Kornfeld kriechen, damit ihn niemand bemerke. Sie wollten sich dann beide so lange rufen, bis sie zu ihrem süßen Glücke zusammenkämen. Der zweite merkte sich seine Aufgabe nicht weniger trefflich als der erste und: Nie, dachte er, soll Wachtelruf täuschender nachgemacht worden sein, als ich es zu tun imstande sein werde!

Keine Minute, keine Sekunde ließ weder der eine noch der andere am festgesetzten Tage von der bestimmten Stunde verstreichen, um nur recht pünktlich ins Kornfeld des guten[263] Wirts zu schleichen, jener oben, dieser unten hinein. Kaum hörte der erste das lockende »Baowao! Baowao!«, so antwortete er schon mit dem lüsternen »Pittpallak! Pittpallak!« den Acker hinunter und kroch auf allen vieren vorwärts, woher der Ruf geklungen war. Wieder rief es jetzt: »Baowao! Baowao!« und, o Seligkeit! er war schon näher, er antwortete noch heftiger mit seinem »Pittpallak! Pittpallak!«, bald mußten sie ja beisammen sein.

Als jetzt der Ruf »Baowao!« wieder erklang, wartete er nicht mehr, sondern sandte schon sein »Pittpallak!« dazwischen, und jetzt hätte ein Lauscher mit Heftigkeit den Ruf hören können: »Baowao! Pittpallak! Pittpallak! Baowao!« usf., immer hitziger und heftiger. Beide freuten sich des hingebenden Feuers, mit welchem endlich die schöne Wirtin ihre Ausdauer in der Liebe belohnen werde.

»Baowao, pittpallak! Baowao, pittpallak!« Puff! Da stießen zwei Köpfe zusammen – trauliches Kichern und Lachen! – Aber auch ebensoschnell ein Schrei erstarrender Verwunderung – denn der erste hatte den zweiten und dieser den ersten vor sich! Beide waren noch zudem im leichtesten Anzuge, so leicht ihn nur die alleräußerste Grenze der ersten Anfänge des Anstandes gestattete; trotzdem trieften aber beide von Schweiß vor innerer und äußerer Hitze und waren gänzlich außer Atem vom ungewohnten Vierfußgehen.

Nach einem Augenblick kaum sich selbst bewußten Anstarrens hub endlich der erste an, seiner Liebeshitze durch giftige Zornesreden Luft zu machen, wobei ihm aber natürlich der andere aus derselben Ursache nichts schuldig blieb, denn auch er hatte es höchst nötig, seiner inneren Glut durch Schimpfen und Schelten Luft zu schaffen.

Die pfiffige Wirtin hatte es nicht versäumt, den ganzen Handel vorher ihrem Manne zu verraten, und der machte sich einen gerechten Spaß daraus, es anderen, besonders aber seinen Zechgästen zu sagen, die ihrerseits wieder nicht zögerten, sich an[264] dem festgesetzten Tage und zur Stunde des gegebenen Stelldicheins in der Nähe versteckt zu halten.

So kam die Sache ans Licht und wurde allbekannt, darum bin ich auch imstande, es wieder zu erzählen, wie ichs gehört habe.

Quelle:
Schott, Arthur und Albert: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat. Bukarest: Kriterion, 1975, S. 262-265.
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