1014. Der Hausgeist im untern Wängi.

[16] In dem sehr hoch gelegenen Berggut im untern Wängi ob dem Riedertal schlissen sie das alte Haus ab, das weiter draussen stand als das heutige, nämlich im Boden, und dabei entrollte ihnen der Firstbaum bis auf das Schwarz-Egg hinaus. Seitdem hörten sie's auf dem Schwarz-Egg weinen, bis sie endlich einen Geistlichen kommen liessen; der redete die arme Seele an, und sie sagte, sie sei schon lange in dem Hause gewesen und habe da wandlen müssen. Jetzt müsse sie an Wind und Wetter und der Gefahr ausgesetzt sein, wenn sie nicht in das neue Haus kommen dürfe. Da räumten ihr die Leute eine Kammer ein, doch unter der Bedingung, dass sie sich nicht dürfe zeigen und nicht hören lassen. So hats allemal unser Vater erzählt. Ich glaube, die arme Seele sei jetzt noch in diesem Haus und müsse da wandlen. Jetzt wohnt meine Schwester dort. Als wir Geschwister noch klein waren, haben wir hie und da etwas gehört in den Kammern herumgehen, und meine Schwester Kathry kam eines Morgens ganz erfroren und mit roten Augen aus ihrer Schlafkammer und sagte, in[16] der Nacht sei ein Weibervolk zu ihm ins Bett gekommen und sei an die Wand gelegen und habe ihns zu äusserst an den Bettrand gedrängt und ihm keinen Platz gelassen. Es sei gewesen, wie wenn dieses Weibervolk einen steifgefrorenen Unterrock anhätte.


Frau Nell-Gisler.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 16-17.
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