1141. Hälfi Gott.

[72] Es lebte einmal ein Mädchen, das nie »Hälfi Gott« oder »Vergelts Gott« sagte. Es starb, und nach seinem Tode war es in dem Hause furchtbar unghyrig. Es war ein Doppelhaus. Wenn aber jemand in dem Teile übernachtete, in dem das Mädchen gestorben, so war er am Morgen eine Leiche. Einst fragte ein Bettler über Nacht. Sie sagten ihm, es sei zwar eine Stube frei; wo er nächtigen könne, aber dann laufe er Gefahr, vom Gespenst getötet zu werden. Er fürchte sich nicht, meinte er und bezog die Stube. Bis Mitternacht war alles ruhig, aber gleich nach 12 Uhr gings los mit Toben und Lamentieren. Es war ein furchtbares Gepolter und Getöse in der Stube. Dann schlüpfte das Gespenst unter das Bett und nieste mehreremal, und jedesmal rief der furchtlose Bettler: »Hälfi Gott, wenn z'hälfä-n-isch.« Endlich kam das Gespenst wieder unter dem Bett hervor, jetzt ganz weiss. Es war jenes Mädchen und sagte: »Nun bin ich erlöst, auf dieses »Hälfi Gott« habe ich schon lange blanget.« Mit diesen Worten war es verschwunden.


Barbara Gisler, Attinghausen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 72.
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