1218. Die Kuh auf dem Stein.

[119] Neben einer Hütte in der Alp Blacken zu Surenen ragt so ein Gupfstein in die Höhe, fast unersteiglich. Eines Morgens stand aber eine Kuh aus der Alp oben auf diesem Stein. Man wusste nicht, wie diese Kuh wieder zu holen wäre. Da fragten sie einen fahrenden Schüler um Rat. Der sagte ihnen, sie sollen ein Feuer um diesen Stein herum anmachen und den ersten Besten, der von der Eggen her dazu komme, lebend in das Feuer stürzen und verbrennen. Das Feuer machten sie an. Da auf einmal hörten sie auf der Surener-Egg Einen so »hohl« jützlä. Er kam näher, und sie erkannten ihn; es war ein guter Freund, namens Brand, von Seedorf, der ein Ross in der Alp hatte. Darum erschraken die Älpler furchtbar. Als er bei ihnen ankam, stellte er sich ans Feuer, und sie schauten einander übelfeil an. In der Hand trug er die Halfter. Nach einer Weile fragte er: »Was wollt ihr mit diesem Feuer machen?«, und im Jux entgegnete einer: »Diese Kuh auf dem Stein einräuchern.« Und ein anderer fragte: »Was würdest du machen, wenn wir dich hineinwerfen würden?« Da lachte Brand hellauf, und bald hernach ging er weg. Einige Schritte entfernt, rief er höhnisch: »Ihr habt ihn gehabt, hättet ihr ihn gepackt!« Sie schauten ihm nach, und da kam sein Schwanz zum Vorschein, und sie sahen, dass es der Teufel gewesen.


Josef Walker, Flüelen, 18 Jahre alt.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 119.
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