1223. Strafe des Geizes.

[122] Nachdem ein Geizhals einen Strumpf voll Goldgeld zusammengeschachert, verordnete er, dass man ihm diesen nach seinem Tode mit in den Totenbaum gebe. Das geschah. Der Totengräber, der von dieser sonderbaren letzten Verordnung gehört hatte, dachte, es sei schade um dieses verlorene Geld, und ging eines Nachts auf den Friedhof, um es sich anzueignen. Als er schon von weitem ein Feuer sah in der Gegend, wo das gesuchte Grab lag, erschrak er, fasste sich aber und schritt fürbass. Ein Totengräber, sagte er sich, fürchtet sich nicht unter den Toten. Was er jedoch am Grabe erblickte, trieb ihm die Haare zu Berg. Die Leiche lag auf dem Grabe! Der Teufel kniete bei ihr und goss ihr das Gold, das er aus dem Strumpfe nahm und im Feuer schmolz, in das Maul!

Dass der Totengräber nicht lange zuschaute, ist leicht zu erraten. Am Morgen war die Leiche wieder im Grabe und dieses geschlossen. Aber man nahm sie heraus und begrub sie ausserhalb des geweihten Gottesackers. Sie war ganz schwarz.


Frau Arnold-Gisler, Bürglen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 122.
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