1226. Der Teufel predigt.

[124] Als einst ein Pfarrer unwohl war, kam ein Geistlicher und anerbot sich, für ihn die Predigt zu halten. Der Pfarrer nahm das Anerbieten freudig an, und der Stellvertreter betrat die Kanzel. Er wetterte gewaltig. Da stellte er die Frage, ob sie wohl wüssten, wer von allen in der Kirche die grösste Hoffart habe. Alle schauten auf eine vornehme Dame, die unter ihnen sass. Aber der Prediger rief, die grösste Hoffart habe das Meitli da vornen in der Kirche mit seinem neuen rätschwärchenen Rock und dem roten Göller. Später vernahm man, der Prediger sei der Teufel gewesen; aber wie das ausgekommen und welchen Zweck er mit seiner Predigt verfolgt, weiss ich nicht.


Franz Zgraggen, Schattdorf.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 124.
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