Fünfte Geschichte
Wie es dem Kaiser Friedrich und dem Don Alvarfañez Minaya mit ihren Frauen ergangen

[35] Einst sagte der Graf Lucanor zu seinem Rat Patronius: Ich hab zwei verheiratete Brüder, die aber ein sehr verschiedenes Leben führen. Der eine liebt nämlich seine Gemahlin so sehr, daß er nur selten zu bewegen ist, sich von dem Orte loszureißen, wo sie weilt, und er unternimmt nichts in der Welt ohne ihre Zustimmung und ohne sie vorher zu fragen. Den andern dagegen können wir auf keine Weise dahin bringen, seine Gemahlin auch nur einen Tag vor Augen zu sehen, oder unter einem Dache mit ihr einzukehren. Und da mir dies großen Kummer macht, so bitte ich Euch, Ihr wollet mir ein Mittel anraten, wie diesem Übelstande abzuhelfen wäre.

Herr Graf, erwiderte Patronius, nach dem, was[36] Ihr soeben sagt, sind Eure beiden Brüder auf sehr falschen Wegen, denn sie sollten ihren Damen der eine nicht soviel Zärtlichkeit, der andre nicht soviel Abscheu zeigen. Wenn sie aber hierin irren, so liegt die Schuld vielleicht an den Frauen, denn Weiber haben wohl dergleichen Kniffe. Ich wünschte daher, Ihr hörtet, wie es dem Kaiser Friedrich und dem Don Alvarfañez ergangen ist. Und wie war das? fragte der Graf. Herr Graf, versetzte Patronius, das sind zweierlei Geschichten, und da ich Euch beide nicht auf einmal sagen kann, so will ich Euch zuerst die vom Kaiser Friedrich, und sodann die vom Don Alvarfañez erzählen.

Kaiser Friedrich vermählte sich, wie sich's gebührte, mit einem Fräulein von hohem Geschlecht und Range, war aber demungeachtet gar übel damit angekommen, und ahnte nicht, was für Mucken er mit ihr erheiratete. Denn sie war zwar eine schöne und sehr keusche Frau, gleich nach der Vermählung aber fing sie an, das halsstarrigste, trotzigste und widerhaarigste Wesen der Welt zu werden. Wenn der Kaiser speisen wollte, verlangte sie zu fasten; wollte der Kaiser schlafen, so wollte sie aufstehen; wem er wohlwollte, den haßte sie, kurz: alles, woran er Vergnügen hatte, mißfiel ihr, und von allem, was er wünschte, tat sie gerade das Gegenteil. Der Kaiser ertrug dies eine Zeitlang, sah jedoch gar bald ein, daß sie durch nichts aus dieser Stimmung herausgebracht[37] werden konnte, er oder andere mochten dagegen reden, was sie wollten, er mochte bitten, drohen, liebkosen, sich freundlich oder böse erweisen. Er bedachte, wie dieser Kummer und das lästige Leben, das er beständig zu erdulden hatte, seinen Geschäften und Untertanen zu großem Nachteil gereichte, und wußte sich durchaus nicht zu raten. So reiste er endlich zum Papste und berichtete ihm den ganzen Hergang, sowohl sein früheres Leben als das große Unglück, das jetzt durch die Gemütsart der Kaiserin über ihn und sein Land gekommen, mit dem sehnlichsten Wunsche, daß der Papst, wenn es irgend anginge, sie scheiden möchte. Doch er überzeugte sich bald, daß nach den Vorschriften der Kirche eine Scheidung unmöglich sei, und doch konnten sie auch wieder, um der Tücke der Kaiserin willen, nicht länger zusammen leben, was dem Papst gar wohl bekannt war.

Da sie nun keinen andern Ausweg finden konnten, so empfahl der Papst die Sache lediglich der Klugheit und dem Scharfsinn des Kaisers, denn er könne keine Buße auferlegen, bevor die Sünde vollbracht sei. Der Kaiser nahm daher Abschied vom Papste, begab sich wieder nach Hause, und suchte, so gut er nur konnte, und auf jede ersinnliche Weise, durch Schmeicheleien, Drohungen, durch Rat und Zurechtweisung, seine Frau von jener bösen Gewohnheit abzubringen. Aber alles vergebens, je mehr sie ihr zuredeten, ihre Unart abzulegen, desto eifriger bestärkte sie sich täglich[38] darin. Da nun der Kaiser sah, daß er durchaus nichts ausrichten konnte, sagte er eines Tages zu ihr: wie er auf die Hirschjagd gehen und einen Teil des Giftes mitnehmen wolle, womit man die Pfeile bestreicht, um die Hirsche zu töten; den Überrest werde er für ein andermal zurücklassen, sie solle sich aber ja hüten und beileibe das Gift nicht mit einer Hitzblatter oder irgendeiner andern Wunde berühren, denn es sei so stark, daß es jedes lebende Wesen töte. Hierauf nahm er eine andere, sehr kräftige Wundsalbe und bestrich sich damit in ihrer Gegenwart einige schadhafte Teile, und die Kaiserin und alle Anwesenden gewahrten, wie es sogleich heilte. Da sagte er zu ihr, im Beisein mehrerer Herren und Damen, dessen könne sie sich, wenn es vonnöten, gegen jegliche Wunde bedienen, nahm dann von jenem Gift, soviel er für die Hirsche brauchte, und ging auf die Jagd.

Kaum aber war er fort, so fing sie vor Zorn zu toben an und rief: Seht doch, wie falsch der Kaiser spricht! Sagt mir da, ich möchte mich mit der Salbe bestreichen, die er gebraucht, weil er weiß, daß meine Blatter von anderer Art ist als die seine, und davon nicht heilen wird, jene andere Salbe aber, deren Heilkraft er wohl kennt, soll ich durchaus nicht berühren. Aber ihm zum Ärger werde ich mich damit bestreichen, und wenn er zurückkommt, soll er mich geheilt finden; ich kann ihm keinen größeren Verdruß antun, und[39] darum will ich's tun! Die Ritter und Frauen, die bei ihr waren, stellten ihr alles mögliche vor, und baten sie inständigst und mit Tränen, davon abzustehen, indem sie unfehlbar davon sterben müßte. Aber sie achtete nicht darauf, nahm das Gift und bestrich sich damit die wunden Flecke, und bald darauf verfiel sie in Todeskampf und hätte es wohl bereut, wenn sie gekonnt, aber es war zu spät, und sie starb zum eignen Verderben durch ihre halsstarrige und böse Gemütsart.

Dem Don Alvarfañez dagegen ging es gerade entgegengesetzt, und damit Ihr es vollständig erfahret, will ich Euch erzählen, wie es sich zutrug.

Don Alvarfañez, ein sehr tugendhafter und angesehener Mann, wohnte zu Yscar, das er erbaut, Graf Pedro Anzurez aber hatte drei Töchter. Eines Tages nun, als dieser sich dessen im mindesten nicht versehen, trat Alvarfañez zu ihm in die Türe, worüber der Graf sehr erfreut war, und nachdem sie gespeist hatten, fragte er seinen Gast, was ihm denn einen so unvermuteten Besuch verschaffte.

Don Alvarfañez erwiderte, er käme, um sich eine seiner Töchter zur Gemahlin zu erbitten, wünsche aber vorher alle drei zu sehen und mit jeder von ihnen einzeln sprechen zu dürfen, damit er sodann nach Belieben wählen könne. Der Graf, welcher darin eine große Gnade Gottes erkannte, erklärte sich damit zufrieden, und Don Alvarfañez entfernte sich daher mit der ältesten Tochter[40] und sagte ihr, wie er, wenn sie nichts dagegen hätte, sich mit ihr zu vermählen gedächte, bevor er aber weiter in der Sache spräche, wünsche er ihr etwas von seinen Lebensumständen mitzuteilen. Vor allem andern nämlich müsse sie wissen, daß er eben kein Jüngling mehr, und von den vielen Wunden, die er in den bestandenen Kämpfen erhalten, so schwachköpfig geworden sei, daß der geringste Schluck Wein ihm den Kopf verdrehe, wenn er aber einmal die Besinnung verloren, gerate er in solche Wut, daß er nicht überlege, was er spreche, sondern häufig andere verwunde, und solche Dinge anstelle, die ihn nachher gereuten, wenn er wieder bei Verstande sei; ja selbst wenn er dann im Bette liege und schlafe, widerführe ihm mancherlei, dem mehr Reinlichkeit eben nicht schaden könnte. Und dergleichen sagte er ihr so viel vor, daß jedes Weib von bloß gewöhnlichem Verstande ihn eben nicht für eine sehr gute Partie halten konnte. Als er geendet, erwiderte die Tochter des Grafen, diese Heirat hänge nicht von ihr ab, sondern von ihren Eltern, und somit empfahl sich Don Alvarfañez und begab sich zu ihrem Vater. Da nun Vater und Mutter sie fragten, was sie zu tun gedenke, entgegnete sie (weil es ihr an dem nötigen Witz gebrach), Don Alvarfañez habe ihr solche Dinge gesagt, daß sie lieber tot als seine Frau sein wollte. Der Graf mochte dies dem Don Alvarfañez nicht mitteilen, sondern sagte ihm nur, seine Tochter[41] habe keine Lust zum Heiraten. Jetzt sprach Don Alvarfañez mit der mittleren Tochter, und es fand zwischen ihnen fast dieselbe Unterhaltung statt wie mit der älteren. Sodann redete er mit der jüngsten und sagte ihr wieder ganz dasselbe, was er ihren beiden andern Schwestern gesagt, diese aber antwortete darauf, daß sie Gott sehr dankbar sein würde, wenn Don Alvarfañez sie zur Gattin wählen sollte. Denn was die erwähnte schlimme Wirkung des Weines beträfe, so würde sie, wenn es einmal nötig wäre, ihn besser als irgend jemand vor den Leuten zu verbergen wissen, seines vorgeblichen Alters wegen aber möchte sie die Heirat nimmer ausschlagen, denn es genüge ihr die Ehre, mit Don Alvarfañez vermählt zu sein; und wenn er endlich, wie er sage, sehr zornmütig sei und um sich schlage, so kümmre sie das wenig, denn sie werde ihm nie Veranlassung geben, sie zu schlagen, und täte er es, würde sie es auch zu ertragen wissen. Kurz: auf alles, was Don Alvarfañez sagte, wußte sie so gut zu antworten, daß er, hocherfreut, Gott dankte, ein so verständiges Weib gefunden zu haben, und dem Grafen Don Pedro Anzurez sogleich erklärte, wie er mit dieser sich vermählen wolle. Der Graf war damit sehr zufrieden, sie machten Hochzeit, und er zog mit seinem Weib, die Doña Vescuñana hieß, in Freuden von dannen. In seinem Hause aber erwies sie sich gar bald als eine überaus tugendhafte und kluge Frau, er pries[42] sich nun um seiner Heirat willen glücklich und hielt für recht und billig, daß alles nach ihrem Willen ginge, und zwar aus zweierlei Gründen. Denn einmal hatte sie Gott so gut geschaffen, und sie liebte ihren Gemahl so sehr und schätzte seinen Verstand so hoch, daß ihr alles, was er tun und sagen mochte, recht war und als das Beste erschien, und sie ihm daher auch in seinem ganzen Leben in nichts, das ihn freute, jemals widersprach. Und glaubet nicht, daß sie dies etwa bloß tat, um durch Schmeicheleien und Liebkosungen höher in seiner Gunst zu steigen, sie tat es vielmehr in der festen Überzeugung, daß er in allen seinen Worten und Handlungen unfehlbar sei. Machte aber schon dies allein das Glück seines Lebens aus, so war dieselbe auch zweitens noch so scharfen Verstandes und von so gutem Benehmen, daß sie jederzeit das Rechte traf, und darum also liebte er sie so sehr und hielt es für recht und billig, daß alles nach ihrem Willen ginge, denn sie riet ihm stets nur, was ihm frommte, und hatte bei allen seinen Unternehmungen in Rat und Tat keinen andern Gedanken, als wie ihm alles am angemessensten sein und zu desto größerem Nutzen und Ruhme gereichen möchte.

Nun geschah es, daß Don Alvarfañez einmal von einem seiner Neffen, der am Hofe des Königs lebte, besucht wurde, worüber er große Freude empfand. Nachdem dieser einige Zeit dort verweilt hatte, sagte er eines Tages zu Don Alvarfañez,[43] er halte ihn für einen tüchtigen und vollkommenen Mann, an dem er nur eines auszusetzen wüßte, und auf die Frage: was das sei, erwiderte er: daß er soviel für seine Frau tue und ihr in seinen Angelegenheiten zuviel Macht einräume. Don Alvarfañez entgegnete, darauf wolle er ihm nach wenigen Tagen Antwort geben. Dann aber, bevor er noch Doña Vescuñana gesprochen hatte, setzte er sich zu Pferde und ritt mit seinem Neffen auf ein paar Tage nach einem andern Ort, ließ auch Doña Vescuñana dahin entbieten, und richtete es so ein, daß sie unterweges zwar zusammentreffen mußten, ohne jedoch ein Wort mit ihr sprechen zu können, indem Alvarfañez mit dem Neffen vorausritt, und Doña Vescuñana nachkam. Nachdem nun jene beiden so ein Stück fortgeritten waren, erblickten sie eine große Herde Kühe, und Don Alvarfañez rief: Seht nur, Neffe, haben wir nicht schöne Pferde in unserem Lande? Bei diesen Worten erstaunte sein Neffe, hielt es aber für Scherz, und erwiderte: Was sagt Ihr doch da, es sind ja lauter Kühe! Doch Don Alvarfañez fing an, sich höchlich zu verwundern, und äußerte die Besorgnis, der Neffe sei nicht recht bei Sinnen, da es allerdings Pferde wären. Als der Neffe nun sah, daß er im Ernst gesprochen und dabei beharre, erschrak er, und befürchtete seinerseits, Don Alvarfañez habe den Verstand verloren. Don Alvarfañez blieb aber bei seinem Satze, bis Doña Vescuñana, die des Weges daherkam,[44] sichtbar wurde, und da er sie erblickte, rief er: Sieh da, Doña Vescuñana, die soll unsern Streit entscheiden! Damit war der Neffe zufrieden, und als sie näher kam, sagte er: Señora, Don Alvarfañez und ich sind im Streit begriffen, denn er behauptet von jenen Kühen, es seien Pferde, während ich sage, daß es Kühe sind, und wir haben so lange gestritten, daß er mich für närrisch, und ich ihn für nicht recht gescheit halte; nun, Señora, entscheidet Ihr, wer von uns recht hat.

Doña Vescuñana sah wohl, daß es Kühe waren, da sie aber von ihrem Schwager hörte, wie Don Alvarfañez sie für Pferde ausgab, war sie vollkommen überzeugt, daß jener sich irre und Don Alvarfañez richtig sähe, und daß es mithin, weil er es behauptet, jedenfalls Pferde und nicht Kühe seien. Und also sagte sie zum Schwager und den Umstehenden: Um des Himmels willen, Schwager, Ihr tut mir leid, und Gott weiß es, ich wünschte, das Leben bei Hofe, wo Ihr so lange weiltet, wäre Euch besser bekommen, denn Ihr seht wohl selbst, es zeugt eben nicht von scharfem Blick und Verstande, Pferde für Kühe zu halten. Und nun begann sie nach Farbe, Gestalt und vielen andern Merkmalen zu beweisen, daß es Rosse und nicht Kühe wären, und daß der Ausspruch des Don Alvarfañez richtig, und seine Einsicht und Beurteilung stets unfehlbar sei, und behauptete es so steif und fest, daß der Schwager und alle[45] die andern schon anfingen, zweifelhaft zu werden, wer von ihnen recht habe.

Darauf ritten Don Alvarfañez und sein Neffe wieder voraus, und trafen eine große Anzahl Pferde, und Don Alvarfañez sagte zum Neffen: Seht, das sind Kühe, nicht aber, was Ihr vorhin dafür ausgegeben habt. Als der Neffe dies hörte, rief er aus: Bei Gott, Oheim, sprecht Ihr wahr, so muß mich der Teufel in dies Land geführt haben, denn wahrlich, wenn dies Kühe sind, so bin ich toll, denn in der ganzen Welt gilt das für Pferde, und nicht für Kühe. Doch Don Alvarfañez blieb fest dabei, daß es Kühe seien, und sie stritten miteinander, bis Doña Vescuñana anlangte. Da erzählten sie ihr, was jeder von ihnen behauptete, und obgleich ihr Neffe recht zu haben schien, so konnte sie doch keineswegs glauben, daß Don Alvarfañez irren oder etwas Unwahres sagen könne, sie begann daher auf Gründe zu sinnen, um die Wahrheit seiner Behauptung zu beweisen, und brachte deren so viel zum Vorschein, daß ihr Schwager und alle die übrigen endlich nichts anderes meinten, als sie seien mit Blindheit geschlagen, und Don Alvarfañez rede wahr; und dabei blieb es auch.

Und abermals ritten Don Alvarfañez und sein Neffe voraus, bis sie an einen Fluß mit vielen Mühlen kamen, und während sie dort ihre Rosse tränkten, behauptete Don Alvarfañez, daß das Wasser stromaufwärts fließe und ebenso die[46] Mühlen treibe. Jetzt war's ganz aus mit dem Neffen, da er auch hier, wie bei den Kühen und Pferden, sich wieder irren, und der Strom gerade umgekehrt fließen sollte. So stritten sie miteinander darüber, bis Doña Vescuñana sie eingeholt, und als sie ihr den Gegenstand ihres Streites mitteilten, kam es ihr zwar wieder vor, als hätte der Neffe recht, sie traute aber ihrer Einsicht nicht, sondern glaubte, was Don Alvarfañez sagte, und wußte seine Meinung so mannigfach zu unterstützen, daß ihr Schwager und alle übrigen es zuletzt selbst glaubten. Und von diesem Tage an gilt noch bis heute das Sprichwort, daß, wenn der Mann sagt, der Strom fließe aufwärts, ein gutes Weib es glauben und bestätigen muß. Der Neffe aber, da er sah, daß Doña Vescuñana mit so vielen Gründen bewies, daß Don Alvarfañez wahr gesprochen, er dagegen im Irrtum sei und die Dinge anders sähe, als sie wären, hielt sich für verloren und befürchtete, um seinen Verstand gekommen zu sein. Nachdem sie nun, hierüber sprechend, wieder ein gut Stück Weges fortgeritten waren und Don Alvarfañez seinen Neffen so traurig und in großen Sorgen sah, sagte er zu ihm: Neffe, nun habe ich Euch auf Eure neuliche Äußerung die Antwort gegeben; denn wisset, alles, was heute zwischen uns beiden vorgegangen, ist nur geschehen, damit Ihr erkennet, wer sie sei, und daß ich das, was ich für sie tue, mit gutem Grunde tue. Ich wußte recht gut, daß die Kühe, die wir zuerst[47] trafen und die ich für Pferde ausgab, Kühe waren, wie Ihr sagtet, und ebenso bin ich vollkommen überzeugt, daß Doña Vescuñana, als sie von Euch hörte, wie ich sie für Pferde hielt, wohl einsah, daß Ihr recht hattet, da sie aber so großes Vertrauen auf meine Einsicht setzt und mich durchaus für unfehlbar hält, so glaubte sie, sie und Ihr irret und sähet falsch, und deshalb führte sie so viele und gute Gründe an, bis sie Euch und allen Anwesenden einredete, daß das, was ich sagte, die Wahrheit sei, und ebenso verhält es sich in betreff der Pferde und des Flusses. Ich sage Euch, seit dem Tage unserer Vermählung hat sie stets in Tat und Worten nur an dem, was ich wünschte, Gefallen gezeigt, und nie verdroß sie jemals, was sie tat; sie hält vielmehr im Herzen fest daran, daß mein Tun jederzeit das Beste sei, und was ihr auch obliegt oder ich ihr auftragen mag, sie weiß es trefflich auszurichten, alles mir zu Ehre und Vorteil wendend. Sie will der Welt zeigen, daß ich der Herr bin, dem Gehorsam und Ehrerbietung gebühre, und verlangt bei allem, was sie tut, keinen andern Nutzen und Ruhm für sich als die Überzeugung, daß es mir fromme und gefalle. Ja, wahrlich, und wenn ein Mohr von jenseits des Meeres so an mir handelte, ich müßte ihn lieben und hochhalten und seinen Rat befolgen, wieviel mehr nun, da sie meine Gemahlin und von so hohem Geschlechte ist, daß die Verbindung mit ihr mir zu großer Ehre gereicht. Und[48] somit, lieber Neffe, habe ich denn nun auf den Tadel geantwortet, den Ihr gegen mich erhoben.

Als der Neffe ihn so reden hörte, freute er sich sehr und sah wohl ein, daß Don Alvarfañez, bei solcher Einsicht und Gesinnung der Doña Vescuñana, in seinem liebreichen Vertrauen zu ihr ganz recht hatte, und wenn er auch noch mehr für sie täte, als er tat. Und also waren die Frauen des Kaisers und des Don Alvarfañez ein wahres Widerspiel.

Wenn nun aber, Herr Graf Lucanor, Eure Brüder so verschieden sind, daß der eine in allem den Willen seiner Frau und der andere gerade das Gegenteil tut, so geschieht dies vielleicht nur darum, weil ihre Frauen ebenso wie die Kaiserin und Doña Vescuñana mit ihnen leben; und wenn dem so ist, dürft Ihr Euch darüber eben nicht verwundern, oder einem der Brüder irgendeine Schuld beimessen. Sind ihre Frauen jedoch weder so gut noch so schlimm wie jene beiden, so trifft Eure Brüder allerdings nicht geringe Schuld hierbei. Der Bruder zwar, welcher nur für seine Gemahlin lebt, tut ganz recht daran, insofern er die vernünftigen Grenzen dabei nicht überschreitet; denn ein Mann, der aus zu großer Liebe zu seinem Weibe immer bei ihr sitzen und weder sein Land bereisen noch in Taten Vorteil und Ehre suchen wollte, beginge einen großen Fehler, und es wäre schmachvoll, um ihres Vergnügens willen Reich und Ehre hintenanzusetzen. Bewahrt[49] er aber diese letztere, so mag er immerhin der Frau alle Ehre antun und alle Zuneigung und Vertraulichkeit zeigen, die nur ein Mann seinem Weibe erweisen kann. Das steht ihm gar wohl an, denn jeder soll sich hüten, in geringfügigen Dingen, die ihm weder nützen noch schaden können, die Frau zu betrüben oder zu erzürnen, zumal durch sündhaftes Beginnen, denn daraus entsteht viel Unglück: einmal das Übel der Schuld an sich, und ferner, weil er, zur Sühne und um die Frau nur wieder fröhlich und gut zu machen, dann mancherlei tun muß, das ihm an Gut und Ehre zum Verderben gereichen dürfte. Hat aber der andere vielleicht durch sein Mißgeschick ein Weib, wie die Kaiserin war, und wußte dem Unfug nicht gleich im Anfange zu steuern, da gibt es freilich keinen andern Rat, als auf gut Glück eben alles gehen zu lassen, wie Gott will. Denn Ihr müßt wissen, dem einen wie dem andern ist es durchaus nötig, unverzüglich nach der Hochzeit sein Weib zu bedeuten, daß er der Herr sei und wie sie ihr Leben einzurichten habe. Und hiernach, Herr Graf Lucanor, wenn Ihr sonst mit Aufmerksamkeit zugehört, könnt Ihr nun, meines Bedünkens, Euren Brüdern die nötige Anweisung erteilen, wie sie mit ihren Frauen sich benehmen sollen.

Dem Grafen gefielen diese Reden des Patronius, die er als wahr und verständig erkannte, und da Don Juan jene Beispiele ebenfalls für gut hielt,[50] ließ er sie in diesem Buche eintragen, und die Verse, die er dazu machte, lauten also:


Der Mann gleich anfangs weise

Das Weib ins rechte Gleise.

Quelle:
Don Juan Manuel: Der Graf Lucanor. Übertragen von Joseph von Eichendorff. Leipzig: Insel, 1961, S. 35-51.
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