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[251] Es war einmal ein Mann, der war so arm wie eine Kirchenmaus. Täglich band er eine Hucke Besen, die trug er zur Stadt, und so lebte er schlecht und recht von einem Tag zum anderen mit seiner Frau.
Dicht bei der Stadt streiften das Glück und der Reichtum umher. Sie stritten sich, wer der mächtigere sei, wer mehr Gutes thun könne. Als sie gerade im heftigsten Streit waren, langte der arme Mann mit einer guten Hucke Besen dort an.
Da sprach der Reichtum: »Wir wollen die Probe machen; hier kommt ein armer Besenbinder; du wirst sehen, dass er nicht mehr Besen zu Markte tragen wird, wenn ich es wünsche.«
»Gut,« sagte das Glück, »ich werde dann auch etwas versuchen, und der soll der mächtigere sein, der den armen Mann am reichsten macht. Du wirst's sehen, dass ich darum gewinnen werde, weil der arme Mann nach deinem Angebinde wieder Besen binden wird, nach meinem jedoch mit sechs[251] Ochsen Weizen zur Stadt schicken wird, und er selbst wird hinter dem Wagen auf einem Pferde einherstolzieren.«
Der Reichtum redete den armen Mann an und sprach zu ihm: »Nun armer Mann! Du hast lange genug Besen geschleppt; dein elendes Leben dauert mich, darum gebe ich dir hundert Gulden. Aber dass ich dich fürderhin dann auch nicht mit Besen sehe!«
Der arme Mann dankte schön für das Geschenk, machte sich hurtig von den Besen los und machte sich dann auf den Heimweg, voller Freude über die grosse Summe; soviel hatte noch nicht einmal sein Grossvater je gehabt. Er traf aber seine Frau nicht, und da er keinen einzigen gut verschliessbaren Ort hatte, steckte er das Geld in den Kleietopf; er selbst aber lief in den Wald, um Holz zu holen, damit etwas da sei, womit seine Frau wenigstens Wasser heiss machen könne.
Unterdessen kehrte seine Frau heim; aber weil sie nichts hatte, wovon sie Essen bereiten konnte, so mass sie geschwind die Kleie aus, lief in die Nachbarschaft zu einem Kürschnermeister und tauschte die Kleie gegen Maismehl ein. Als ihr Mann heimkehrte, war der Maisbrei schon fertig, und nachdem er sich davon gut vollgegessen hatte, ging er zum Kleietopf, dass er die hundert klingenden Gulden herausnehme. Nun da war weder Kleie noch Geld.
»Nanu, Frau, wo ist die Kleie?«
»Dafür habe ich ja das Maismehl beim Kürschner eingetauscht,« antwortete die Frau.
»Aber wo hast du denn die hundert Gulden hingethan?«
»Als ob Ihr je hundert Gulden gehabt hättet,« gab's die Frau ihm zurück, »weder Ihr noch auch Eure ganze Sippschaft!«
Ein Wort gab das andere, den armen Mann packte die Wut, er holte die Peitsche vor und führte seine Frau unter Peitschenklang zum Kürschner.[252]
»Ist bei euch eine Schraube losgegangen?« fragte der Kürschner, als sie die hundert Gulden verlangten. »Du hast ja selbst die Kleie in die Beize geschüttet.«
Was war da zu machen? ohne Geld schlichen sie traurig heim, und der arme Mann ging wieder in den Wald hinaus, band eine Hucke Besen und machte sich damit auf in die Stadt. Das Glück erblickte ihn schon von weitem und hänselte den Reichtum.
»Sieh nur, Reichtum, sieh, Reichtum! Da kommt der arme Mann mit einer Hucke Besen.«
Der Reichtum wurde sehr zornig; er ging dem armen Manne entgegen.
»Wie darfst du es wagen, Besen zu tragen?«
Der erzählte, wie schlecht es ihm mit den hundert Gulden ergangen war.
»Na,« sagte der Reichtum, »ich gebe dir noch hundert; aber dass ich dich nicht noch einmal mit Besen erblicke!«
Der arme Mann eilte in grosser Freude heim; aber seine Frau fand er auch jetzt nicht daheim; in aller Eile steckte er das Geld in den Aschentopf. Er ging nach Holz in den Wald hinaus; unterdessen kehrte seine Frau auch von ihrem Dorfgang zurück. Ein Krümelchen Mehl ist wahrlich nicht viel, aber nicht einmal so viel war im Hause. Darum nahm sie den Aschentopf und lief damit zum Gerber und tauschte Maismehl dafür ein.
Als der Hausherr sich am Maisbrei gütlich gethan hatte, dachte er bei sich, er wolle das Geld vorholen, damit seine Frau in ihrem Leben auch einmal eine grosse Summe sehe. Aber Gott steh mir bei, keine Asche, kein Geld, nichts zu hören, nichts zu sehen davon!
»He, Frau, wo ist die Asche?«
»Wo?« zeterte die Frau los, »da in Eurem Bauch!«
»Und die hundert Gulden?«[253]
Davon hatte die arme Frau traun keine Spur gesehen.
Holte der arme Mann die Peitsche vor und prügelte damit seine Frau so lange, bis sie beim Gerber angelangt waren. Sie forderten die hundert Gulden zurück. Da nahm der Gerber das Schabemesser, und so jagte er den armen Mann mitsamt seiner Frau aus seinem Hause, dass das ganze Dorf zusammenlief.
Was war da zu machen? Der arme Mann holte seinen Werg vor, ging in den Wald hinaus, band eine Hucke voll Besen und machte sich noch am selben Tag auf in die Stadt. Das Glück erkannte ihn schon ganz von weitem und hänselte den Reichtum jetzt noch mehr.
»Na siehst du! Hier ist der arme Mann und trägt Besen.«
Der Reichtum sagte:
»Ich gebe ihm nun nichts weiter; denn ich sehe, das ist kein zum Leben tauglicher Mensch. Mach mit ihm, was du willst.«
Als der arme Mann hinkam, sagte ihm das Glück:
»Na, armer Mann! Ich gebe dir einen Kreuzer, denn ich sehe, dass du schwer dein tägliches Brot erwirbst.«
Der arme Mann dankte schön, dann ging er in die Stadt, verkaufte dort seine Besen und kaufte mit dem Erlös Mehl, Salz und Eier; für den Kreuzer aber kaufte er drei Nüsse, und so machte er sich auf den Heimweg.
Auf seinem Wege traf er drei Kinder; die kratzten einander fast die Augen aus, so zankten sie sich über etwas. Fragte sie der arme Mann:
»Aber weswegen zankt ihr euch denn, meine Söhne?«
»Seht nur, Herr Oheim,« antwortete der eine, »dies funkelnde Ding haben wir zusammen gefunden, und jetzt können wir es nicht teilen.«
Das funkelnde Ding jedoch war ein Stück Demant, was aber weder die Kinder noch der arme Mann wussten.[254]
»Zankt euch nicht,« sagte der arme Mann, »gebt es mir, ich gebe dafür jedem von euch eine Nuss.«
Die Kinder gingen voller Freude darauf ein; der arme Mann aber trug das Kleinod heim und legte es auf das Gesims.
Nun, der Abend brach an. Da auf einmal wurde es so hell im Haus, wie wenn ein Pfund Kerzen auf einmal angezündet wären! Da freut sich der arme Mann, denkt bei sich, dass er jetzt auch nachts Besen binden kann, braucht sich nicht mehr um die Kerzen zu sorgen, und so kann er etwas mehr verdienen. Wie er sich so freut, hört er, dass ein Wagen, vor seinem Haus hält. Ein armenischer Kaufmann spricht bei ihm vor um Feuer für seine Pfeife; denn in einem anderen Hause hatte er nicht mehr Licht gesehen. Der Armenier sieht den strahlenden Diamanten und erkennt ihn gleich. Er fragt den armen Mann, für wieviel er ihn verkaufen würde, denn er habe so ein Feuerzeug nötig bei seinem vielen Umherwandern.
»Ach, mein Herr, das ist eine kostbare Sache!« antwortete der arme Mann.
»Ich gebe dir dafür einen Scheffel Silberbatzen,« sagte der Armenier.
»Ach Herr, das ist eine sehr kostbare Sache,« beharrte der arme Mann.
»Nun, dann gebe ich dir zwei Scheffel.«
»Nicht unter drei Scheffeln, mein Herr; so viel ist es unter Brüdern wert.«
Sie schlügen ein; der Armenier wusste, was er kaufte und gab gern drei Scheffel Batzen dafür. Er liess sie gleich von seinem Wagen ausmessen und das Geld hineintragen. Der arme Mann freute sich auch über den Handel, weil er nicht wusste, was er verkauft hatte. Er dachte, das würde für Kerzen und auch noch für anderes langen.
Am anderen Tag kaufte er ein Gehöft, einen Acker, eine Wiese, und schon im Herbst hatte er so viel Weizen gedroschen,[255] dass er sich vor Freude gar nicht zu lassen wusste. Er kaufte sechs schöne Ochsen, zwei Pferde vor seinen Wagen, ein Reitpferd, und zum Markt am St. Martinstag liess er solch einen Wagen mit Weizen in die Stadt bringen, dass auch noch sechs Ochsen auf einer Halde dran zu ziehen hatten. Er selbst sass zu Pferde und begleitete hoffärtig den Weizenwagen.
Das Glück und der Reichtum standen schon unten an der Stadt, als er hinkam. Da fragte das Glück den Reichtum:
»Kennst du diesen vornehmen Herrn, Reichtum?«
»Ich nicht,« antwortete der Reichtum; »ich entsinne mich nicht.«
»Aber du könntest ihn kennen,« sagte das Glück, »denn das ist dein ehemaliger Besenbinder. Nun, siehst du wohl, dass ich mit einem Kreuzer ihn zu einem reichen Mann gemacht habe.«
Da schämte sich der Reichtum und sprach:
»Du hast recht; jetzt sehe ich, dass der Reichtum ohne Glück wenig taugt.«
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