41. Christus und die drei Waisenburschen.

[272] Es waren einmal drei verwaiste Burschen, die hatten gar kein Gewerbe; sie fischten nur Holz aus dem Meer, davon lebten sie. Einstmals sagte der älteste:

»Hört, Jungens! So werden wir niemals vorwärts kommen; wir wollen ausziehen, unser Glück zu versuchen.«

»Einverstanden,« sagten die beiden anderen. Sie machten sich auch sogleich auf.

Sie wanderten und wanderten durch siebenmal sieben Königreiche; einstmals begegneten sie unserem Herrn Christus und St. Peter.

»Wohin des Wegs?« fragte unser Herr Christus die Burschen.

»Wir sind ausgezogen,« sagte der älteste, »unser Glück[272] zu versuchen, denn zu Hause konnten wir nicht vorwärts kommen.«

»Nun, mein Sohn, was möchtest du denn werden?« fragte er den ältesten.

»Ich würde gern ein Landwirt sein,« sagte der älteste.

»Nun, mein Sohn, wenn du das gern sein möchtest, mache ich dich dazu,« sagte unser Herr Christus. »Geh in jenes Gehöft dort am Wegsaum. Es sei dein, aber vergiss dann der Armen nicht!«

»Und du, mein Sohn,« wandte er sich zum zweiten, »was würdest du dir wünschen?«

»Ich möchte gern ein Schafhirt sein.«

»Nun, wenn nur das dein Begehr ist, so geh auf jenen Berg hinaus! Dort ist eine Hürde, daneben Schafe genug; ich gebe dir alle, aber ich binde dir auf die Seele: vergiss nicht der Armen!«

Da gingen die zwei älteren in grosser Freude von dannen; nur der kleine blieb zurück.

»Und du, mein Sohn, was würdest du dir wünschen?« fragte ihn unser Herr Christus.

»Ich wünsche mir nicht viel; nur eins möchte ich gern, wenn ich irgendwo ein Fährmann sein könnte.«

»Das ist wirklich nicht viel,« sagte unser Herr Christus; »komm mit uns!«

Einstmals kamen sie an ein grosses Wasser. An dem Wasser stand ein kleines Häuschen, und davor war ein Nachen angebunden.

»Nun, mein Sohn, dies ist dein; nimm es hin! Aber ich binde dir auf die Seele, dass du nicht der Armen vergessest.«

Damit zog unser Herr Christus mit Peter fürbass.

Die Zeit verging; einstmals sagte unser Herr Christus zu Peter:[273]

»Komm, Peter; wir wollen nachschauen, was unsere Burschen machen.«

Sie gingen zum Landwirt hin. Da war aus dem ein so grosser Herr geworden, dass er aus drei Meerschaumpfeifen zu gleicher Zeit rauchte, in der Scheune aber droschen sechs Drescher den Weizen!«

»Geh hinein, Peter, bitte um etwas,« sagte unser Herr Christus.

Ging Peter hinein, aber wahrhaftig, er bekam dort nichts.

»Geh doch und fordere wenigstens eine Handvoll ungedroschenen Weizens.«

Ging Peter wieder hinein und brachte eine Handvoll ungedroschenen Weizens.

»Nun, jetzt trage ihn dort drüben auf den Hof jener armen Frau,« sagte unser Herr Christus, »und verbrenne ihn!«

Peter zündete ihn an, und in einer Minute war der Hof voll mit Weizen. Die arme Frau konnte sich garnicht genug thun mit Danksagungen.

Der gnädige Herr hatte das vom Hausflur aus mit angesehen und rief den Dreschern zu, sie sollten sich nicht weiter plagen, sondern das Ganze anzünden. Die zündeten es auch an, aber nicht nur, dass kein reiner Weizen daraus wurde, sondern auch die Scheune begann zu brennen. Jetzt erschrak der gnädige Herr und lief zum Brunnen, aber er ist so hineingepurzelt, als ob er niemals dort gewesen wäre. Das Haus aber samt allem verbrannte zu Staub.

»Na, mit dem sind wir fertig, Peter,« sagte unser Herr Christus; »komm, wir wollen nach dem zweiten schauen.«

Sie gingen zur Hürde hin. Peter ging hinein, ob er wohl etwas bekomme, aber der Hirt trieb ihn noch mit Scheltworten von dannen.

»Geh, fordere wenigstens einen Topf Molke,« sagte unser Herr Christus.[274]

Ging Peter hin und brachte ein Töpfchen Molke.

Da nahm unser Herr Christus das Töpfchen und schleuderte es auf das Dach der Hürde. Und in der Minute begann die Hürde und der Hirt in ihr zu brennen.

»Na, Peter,« sagte unser Herr Christus, »nun wollen wir auch nach dem dritten schauen.«

Sie gingen hin zu dem Gewässer, und unser Herr Christus rief hinüber, er solle mit seinem Nachen herüber kommen. Der Bursche liess sich das nicht zweimal sagen. Auf der Stelle kam er und setzte sie über, voller Freude, dass er seinem Wohlthäter einen Dienst leisten konnte. Aber als sie übergesetzt waren, da wurde unser Herr Christus so grindig wie eine Kröte.

»Wie könntet Ihr wieder heil werden?« fragte ihn der Bursche.

»Du kannst mich nicht heilen, mein Sohn, denn ich würde nur durch das Blut deines Kindleins genesen,« sagte unser Herr Christus.

Der Bursche kratzte sich nur ein wenig den Kopf, dann nahm er das Messer, nahm das Kind aus den Armen der Frau und liess sein Blut ausfliessen.

Mit diesem Blut bestrich Peter unsern Herrn Christus, und siehe! auf der Stelle schälte sich der Grind von seinem Leibe ab.

»Nun Peter, jetzt wirf das Kind in den Ofen, und zünde das Feuer an!«

Der Hausherr schaute nur, ohne ein Wort zu sagen, dem zu, was Peter machte.

Plötzlich begann unser Herr Christus wieder zu sprechen:

»Gehe hin, mein Sohn, dein Kind wartet im Ofen.«

Der Hausherr ging hin; da sass es dort auf dem Ofenrücken und spielte mit zwei goldenen Äpfeln. Voller Freude[275] holte er es und kniete nieder vor unserm Herrn Christus; aber unser Herr Christus sprach zu ihm:

»Danke mir mit nichten, mein Sohn; du hast die Wohlthat verdient. Geh hinaus vor deine Thüre! Dort ist eine grosse Wiese. Miss dir davon mit deinem Stock soviel aus, wie du willst! Lebe glücklich, aber vergiss auch fürderhin der Armen nicht!«

Der Hausherr wollte ihm danken; aber unser Herr Christus war schon verschwunden.

Quelle:
Sklarek, Elisabet: Ungarische Volksmärchen. Einl. A. Schullerus. Leipzig: Dieterich 1901, S. 272-276.
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