40. Die drei Erzengel.1

[271] Nachdem unser Herrgott beschlossen hatte, Adam und Eva aus dem Paradiese zu vertreiben, sandte er zuerst Gabriel, den ungarischen Engel, zu ihnen, seinen Befehl zu vollführen. Nun waren aber Adam und Eva von der Frucht des verbotenen Baumes schon überaus klug geworden und auf jede Weise bemüht, sich aus der Klemme zu ziehen. Sie rüsteten daher einen grossen Schmaus, empfingen den Engel Gabriel auf das herzlichste und suchten ihn mit Schmeicheleien und schönen Worten zu gewinnen, was ihnen auch so gut gelang, dass es dem Ärmsten leid that, die freundlichen Wirte aus ihrem Heim zu vertreiben, er nach Hause ging und den Herrgott bat, jemand anderen mit dieser unangenehmen Sache zu betrauen.

Nun sandte Gott den Florian, den rumänischen Engel, weil er von diesem wusste, dass er viel folgsamer und nicht so grossmütig sei. Adam und Eva sassen gerade beim Essen, als Florian in Opintschen2, mit abgenommenem Hute und einen grossmächtigen Stab in der Hand, eintrat. Er bot ihnen ganz unterthänig einen guten Tag und sagte, warum er gekommen.[271] »Hast du's schriftlich?« schnauzte Adam ihn an. »Nein,« stotterte Florian, erschrak und ging zurück in den Himmel.

Jetzt sandte Gott den Michael, den deutschen Engel. Auf das hin waren Adam und Eva nicht wenig bestürzt und bereiteten ein noch viel reicheres Mahl, um ihn weich zu stimmen. Die besten Sachen wurden hervorgeholt und besonders an Bier und guten Würsten war kein Mangel. Der Engel Michael liess sich's denn auch schmecken; aber als er nun so satt war, dass er kaum schnaufen konnte, zog er sein Schwert heraus und sagte: »So! und nun schert euch hinaus!« – Adam und Eva verlegten sich zwar aufs Bitten und flehten ihn an, doch barmherzig zu sein und zu bedenken, wie gut sie ihn bewirtet hätten, aber der Engel Michael blieb fest, sagte nur: »Es muss sein!« und jagte sie hinaus.

Seit dieser Stunde ist »Muss« ein grosser Herr!

1

Die Übersetzung ist der Ungarischen Revue 1887 VII. Jahrg. S. 690 entnommen.

2

Bundschuh der Rumänen.

Quelle:
Sklarek, Elisabet: Ungarische Volksmärchen. Einl. A. Schullerus. Leipzig: Dieterich 1901, S. 271-272.
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