[79] 12. Des Bettlers Geschenk.

Es war einmal ein sehr armer Mann, der ging in den Wald sich Holz zu spalten. Der Schweiß lief ihm die Backen herunter während der sauern Arbeit, da kam ein alter Bettler an ihn heran und bat um ein Almosen. Der arme Mann legte mitleidig sein Beil weg, langte freundlich in seine Tasche und theilte mit dem Armen sein kleines Stück Brod. Wie der alte Bettler[79] satt war, sprach er zu dem Holzhacker: »Mein Sohn, haste dich nicht so;« nimm für deine Freigebigkeit hier dies Tischtuch, und wenn einmal schlechte Zeiten kommen und dich hungert, so sprich zu dem Tischtuch: »Tüchelchen, Tüchelchen, deck den Tisch!« »Dann wird dein Tischtuch mit den besten Speisen und Getränken bedeckt und ausgerüstet dastehn; ich bin der Belohner des Guten und gebe dir das für deine Wohlthätigkeit.« Darnach verschwand der Alte, der Holzhacker aber machte sich voll Freude auf den Weg nach Hause.

Weil ihn aber der Abend auf dem Wege überfiel, kehrte er in eine Schenke ein und erzählte seinem alten Bekannten dem Wirthe sein Glück, und damit er seine Worte nicht für ein Märchen halten sollte, machte er auch gleich einen Versuch mit seinem Tuch und hielt einen frohen Schmaus mit dem Wirth und der Wirthin von den guten Speisen welche das Tischtuch verschafft hatte. Nach dem Abendessen ging er schlafen, während dessen nähte die abscheuliche Wirthin ein ganz gleiches Tischtuch und am Morgen war es mit des Holzhackers seinem vertauscht.

Der aber merkte davon nichts und lief mit dem vertauschten Tuch nach Hause; hier sagte er[80] seiner Frau Alles was geschehen war und zur Bestätigung seiner Worte befahl er dem Tuche es sollte den Tisch decken, aber vergeblich; wohl hundertmal sagte er die Worte: »Tüchelchen, Tüchelchen, deck den Tisch!« das rührte sich nicht; was der einfältige Mann ganz und gar nicht begreifen konnte. Am andern Tage ging er wieder in den Wald, theilte wieder sein Brod mit dem grauen Bettler und bekam von ihm ein Lamm zu dem er sagen mußte: »Lämmchen, Lämmchen, lege Gold!« Dann fielen die Goldstücke nur so. Auch mit diesem kehrte der Holzhacker für die Nacht in die Schenke ein und zeigte es dem Wirth, welcher das Lämmchen wegnahm. Am Morgen brachte er wieder ein vertauschtes Lämmchen heim, und konnte sich nicht genug verwundern daß es kein Gold machen wollte.

Wieder ging er in den Wald, bewirthete den Bettler auch dies Mal, erzählte ihm aber dabei wie es ihm mit dem Tischtuche und dem Lamme gegangen war; den nahm das nicht sehr Wunder, er gab dem Holzhacker nur einen Knüppel, und sagte ihm, der Wirth hätte sein Tuch und sein Lamm vertauscht, darum sollte er sich's mit dem Knüppel wieder holen, zu dem er nur zu sagen[81] brauchte: »Knüppel, Knüppel aus dem Sack!« Damit wäre er im Stande ein ganzes Kriegsheer fortzuprügeln. Der Holzhacker stieg also zum dritten Male in der Kneipe ab, hier forderte er das Lamm und das Tischtuch, und weil es der Wirth nicht wieder herausgeben wollte, rief er geschwind: »Knüppel, Knüppel aus dem Sack!« da prügelte der Knüppel so lange auf dem Wirth und der Wirthin herum bis sie das Verlangte wieder herausgaben.

Voller Freuden erzählte er jetzt seiner Frau das Ganze, und um nun sein Haus recht in Ansehn zu fetzen, lud er für den andern Tag den König bei sich zu Tische. Der König wunderte sich, und schickte gegen Mittag seinen Bedienten hin nachzusehn was gekocht würde, der kam aber wieder mit der Nachricht, daß sie gar kein Feuer in der Küche hätten. Noch mehr erstaunte Seine Majestät, als er den Mittag das Tischtuch mit den leckersten Speisen und Getränken besetzt fand. Gefragte, woher das Alles käme, und der arme Holzhacker erzählte, was ihm im Walde begegnet war in Bezug auf Lamm und Tischtuch, von dem Knüppel aber schwieg er still. Der König, der ein recht gewalttätiger Mann war, forderte sogleich[82] das Tischtuch und das Lamm von ihm, und weil der Holzhacker Nichts hergeben wollte, schickte er ein Paar Diener ab es ihm abzunehmen. Aber die prügelte der Knüppel auf der Stelle durch; da schickte der König noch eine größere Macht gegen ihn, auch die wurden geprügelt; jetzt gerieth er in Zorn und kam mit einem ganzen Heere gezogen, aber auch da siegte der Holzhacker, denn der Knüppel prügelte alle Soldaten des Königs weg, ja der König selber fiel auch und der vorher so arme Holzhacker gewann den Thron. Das war wirklich ein Segen für das Volk, denn weil er von großer Herzensgüte war, half er mit Freuden Allen die in Mangel und Noth waren, und so lebte er auch zufrieden und glücklich bis ans Ende seines ganzen Lebens.


II, S. 369.

Quelle:
Stier, G.: Ungarische Sagen und Märchen. Berlin: Ferdinand Dümmlers Buchhandlung, 1850, S. 79-83.
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