I.

[97] Vorzeiten hatte das wotjakische volk helden. Unter diesen helden waren die mächtigsten vater Mardan und Bija-durak. Wir wissen nicht, wo vater Mardan geboren war. Nur soviel ist bekannt,[100] dass er aus der gegend der kåṷmez1 (nach možga) gekommen ist, und dass er sich niedergelassen hat um den wald auszuroden. Der platz, wo er sich ansiedelte, lag in einer entfernung von nur drei oder vier werst von dem (jetzigen) dorf možga. Diesen platz nennt man gut'ṧiń-kuš2. Vater Mardan war schon als kind sehr stark und leichtfüssig. Einmal wanderte er, in einem alter von sieben oder acht jahren, zwölf werst um zu baden, während seine mutter fische (zu der mahlzeit) kochte. Beim schiessen (mit bogen) vermochte er von gut'ṧiń-kuš bis nach der våṷa-brücke3 (den pfeil) zu schiessen (von gut'ṧiń-kuš bis nach der våṷa-brücke sind sieben werst).

Als vater Mardan herangewachsen war, nahm er sich eine frau, und da er sehr lange lebte, hatte er mehrere frauen. Die erste starb, und er verheiratete sich auf's neue. Auch die zweite frau starb und wieder heiratete er. So hatte er in seiner lebenszeit mehrere frauen.

Vater Mardan suchte sich zum wohnplatz eine sehr schöne anhöhe, eine stelle, wo das birkenlaub nicht erfriert. Ein solcher war sein wohnort gut'ṧiń-kuš. In der nähe von gut'ṧiń-kuš hatte er eine mühle. Von der mühle wie von dem hause und hofe der ansiedelung ist gar nichts übrig geblieben. Die wotjaken kennen nur einen platz namens »wotjaken-friedhof«, unweit seiner ansiedelung.

Vater Mardan lebte glücklich und hatte neun söhne. Das wotjakische volk kennt nicht mehr die namen aller seiner söhne. Nur drei kennt man. Der erste hiess goźeg, der zweite pukroṷ, der dritte goźon. Die söhne Mardans waren nicht mehr so stark wie er selbst.

Vater Mardan war sehr schlau und stark. Einmal traf vater Mardan wegen einer wiese mit Bija-durak zusammen. »Wohlan, Bija-durak«, sagte vater Mardan, »wer (von uns) einen rasenhügel der wiese ein längeres stück über den våṷa-fluss fortstösst, dem falle diese wiese zu!« »Nun gut also!« sagte Bija-durak. Vater[101] Mardan hatte im voraus einen losgeschnittenen rasenhügel in bereitschaft. Das wusste Bija-durak nicht. Bija-durak gab (einem rasenhügel) einen fusstritt, aber sein (rasenhügel) fiel nur mitten in den våṷa-fluss hinab. Vater Mardan gab (seinem rasenhügel) einen fusstritt, und er flog über den våṷa-fluss hin und fiel da in einen sumpf. Auf solche weise fiel diese wiese, ludji-voź genannt, dem geschlecht Mardans zu.

Ein andermal machte sich vater Marden aus dem aste einer sehr grossen kiefer einen schlägel. In diesen hieb er ringsumher, damit die leute sagen möchten: »Mit jenem hat er gearbeitet!«, lud den Bija-durak zu sich und zeigte ihm (den schlägel). Bija-durak ergriff (den schlägel), probierte ihn, und ging, da er (den schlägel) nicht einmal bewegen konnte, erstaunt weg. So schlau war unser vater Mardan.

1

kåṷmez od. kalmez, nebenfluss der Wjatka.

2

kuš, gerodeter platz im walde.

3

våṷa od. vala, nebenfluss der kalmez.

Quelle:
Wichmann, Yrjö: Wotjakische Sprachproben, 2.: Sprichwörter, Rätsel, Märchen, Sagen und Erzählungen, Helsingfors: 1893/1901, S. 97,102.
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