38. Der günstling Gottes.

[140] Es lebte einmal in alter zeit ein wotjake. Von seiner kindheit an betete und opferte er sehr fleissig. Das opfer brachte er (immer) zur rechten zeit in dem walde. Darum liebte ihn Gott sehr. Eines sommers war es sehr heiss, und was immer die alten (wotjaken) auch versuchten, so regnete es doch nicht. Da fing der (genannte) wotjake an, Gott um ein wenig regen für seinen eigenen landstrich zu bitten. Er nahm eine ente und eine gans und führte sein opfer gegen abend in den wald. Nachdem er geopfert hatte, legte er sich (im walde) schlafen. In der nacht kommt zu ihm im traume Gott, weckt ihn auf und sagt: »Stehe auf, mein liebling, bekümmere dich um nichts, auf deinen landstrich möge es regnen!« Der wotjake stand auf und ging nach hause. Am morgen regnete es in der that auf die nahe an dem dorfe befindlichen landstriche (des wotjaken). Gott hatte vergessen, welche entfernteren landstriche ihm gehörten. Wieder liess Gott ihn träumen, er möge in in den wald gehen, um seine entfernteren landstriche (Gott) zu zeigen. Aber da der wotjake mit seinen verwandten mitleid hatte, fing er an, auch für ihre landstriche um regen zu beten. Er nahm zwei gänse, zwei enten und opferte sie in der nacht im walde.[141] In seinem gebete erwähnte er auch die landstriche seiner verwandten. Darauf legte er sich an demselben platze (wo er geopfert hatte) schlafen. Vor tagesanbruch weckt Gott ihn auf und sagt zu ihm: »Allen von dir erwähnten landstrichen werde ich regen geben«. Am morgen regnete es in der that auf alle erwähnten landstriche. Da erregten auch alle nachbarn das mitleid des wotjaken. Als er merkte, dass Gott zweimal glücklich (regen) gegeben hatte (d.h. dass es ihm zweimal gelungen war regen zu bekommen), so ging er noch einmal in den wald, um Gott auch für die landstriche seiner nachbarn um regen zu bitten. Er wagte es nicht, Gott geradeaus (für seine nachbarn) um den regen zu bitten; er sagte (nur): »auf alle landstriche hat es nicht geregnet«, und bat Gott, um irrtümer zu vermeiden, um regen für das ganze feld. Gott verstand gut, was er im sinne hatte (eig. was für ein mensch er war), aber die (wohlwollende) gesinnung (des wotjaken) gefiel ihm. Er gab dem ganzen felde seinen regen. Weil jener wotjake verstand, (auf diese gute weise) zu Gott zu beten, gab Gott in jenem dürren jahre dem ganzen dorfe seinen regen.

Quelle:
Wichmann, Yrjö: Wotjakische Sprachproben, 2.: Sprichwörter, Rätsel, Märchen, Sagen und Erzählungen, Helsingfors: 1893/1901, S. 140-142.
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