40. Die (zwei) brüder und ihre glücksgeister.

[144] Ein mann hatte zwei söhne. Dieser mann verschaffte jedem von seinen söhnen eine frau. Darauf starb der vater, und die söhne gingen auseinander. Sie leben eine zeit lang, und es wurde zeit, dass man hafer säte. Sie säten, und der hafer des älteren bruders gedieh, derjenige des jüngeren aber nicht. Als es zeit wurde, dass man den hafer erntete, hielten sie (auch) ernte.

Im folgenden frühling wurde es wieder zeit, dass man hafer säte. Jetzt aber ging der jüngere bruder der nachts auf das feld des älteren bruders um zu beobachten. Nachdem er daselbst ein wenig verweilt hatte, kam jemand dahin und fing an hafer zu säen. Der jüngere bruder stand, mit einem stock (in der hand), mitten auf dem felde des älteren bruders, und der säemann kam auf ihn zu. Der jüngere bruder drohte dem säemann und sagte: »Ich schlage dich mit dem stock!« »Schlage nicht!« sagte der säemann, »ich bin der glücksgeist (eig. das glück) deines älteren bruders«. Der jüngere bruder fragte: »Wo ist aber mein glücksgeist?« »Sieh da schläft er unter der kleinen fichte, an dem klotz!« sagte der säemann. Da ging der jüngere bruder zu seinem glücksgeist und sagte zu ihm: »Was machst du hier? Ich schlage dich!« Der glücksgeist sagte: »Warum wirst du mich denn schlagen?« Der jüngere bruder sagte: »Warum säest du denn nicht?« Sein glücksgeist sagte: »Wenn man dir auch säen sollte, gedeiht es nicht! Fange du an handel zu treiben! Dabei wirst du immer gewinn haben!« Der jüngere bruder fing jetzt an handel zu treiben, und er hatte immer gewinn.[145]

Die brüder leben noch (eine zeit lang), und im folgenden frühling wurde es wieder zeit, dass man hafer säte. Sie säten, und der hafer des jüngeren bruders gedieh, derjenige des älteren bruders aber gedeiht jetzt nicht. Es wurde weihnachten, sie (die brüder) richteten weihnachtsspeisen zu, und der jüngere bruder ging um seinen älteren bruder zu weihnachten (zu sich) einzuladen. Der ältere bruder kam, und die brüder setzten sich um zu essen. Nachdem der ältere bruder gegessen hatte, sass er (noch) eine weile in der stube und ging (darauf) weg. Er sah ein hundeaas unter dem fenster (liegen). Das hundeaas warf er durch das fenster in die stube des jüngeren bruders. Auf der pritsche des jüngeren bruders war sein glücksgeist. Dieser glücksgeist sagte: »Es (das aas) ist gold!« Jetzt wurde der jungere bruder schon sehr reich.

Quelle:
Wichmann, Yrjö: Wotjakische Sprachproben, 2.: Sprichwörter, Rätsel, Märchen, Sagen und Erzählungen, Helsingfors: 1893/1901, S. 144-146.
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