Ataxīe

[19] Ataxīe (griech., »Ordnungsmangel«), die Unfähigkeit zu geordneten Bewegungen, deren Kraft im übrigen nicht vermindert zu sein braucht. Bei der Ausführung der meisten Bewegungen wirken mehrere Muskeln zusammen, und zwar mit verschiedener Intensität und auch zeitlich verschieden eingreifend. Um diese nun richtig koordiniert innervieren zu können, müssen wir sowohl von der jeweiligen Lage der Glieder als von der aufgewendeten Kraft genau unterrichtet sein. Es wird uns diese Kenntnis durch Nerven vermittelt, die von der Peripherie zum Zentrum leiten (sensible Nerven der Muskeln, Gelenke, Haut), ferner unterstützt durch andre kontrollierende Sinneseindrücke, z. B. durch die Augen und das Gleichgewichtsorgan, bez. dessen Zentren im Kleinhirn. Bei Störung im Verlauf dieser Nerven ist eine geordnete Bewegung nicht mehr möglich (es entstehen ataktische Bewegungen). Bei der statischen A. kann eine bestimmte Körperlage nicht festgehalten werden, sie findet sich hauptsächlich bei Störungen des Gleichgewichtsorgans und wird als Kennzeichen für eine Erkrankung des Kleinhirns betrachtet (daher cerebellare A.). Derartige Kranke taumeln und schwanken wie Betrunkene. Die lokomotorische A. tritt bei gewollten Bewegungen auf. Die Kranken innervieren zu stark und machen ausfahrende, das Ziel verfehlende Bewegungen. Diese Form kommt zwar auch bei peripheren Nervenerkrankungen, z. B. bei der multipeln Neuritis, vor, ist aber bei weitem am häufigsten und diagnostisch wichtig bei der Rückenmarkschwindsucht. Derartige Kranke gehen breitspurig, schleudern und stampfen mit den Füßen in sehr charakteristischer Weise. In seltenen Fällen kommt die meist hereditäre (Friedreichsche) A. auf Grund von Entwickelungsanomalien des Rückenmarks vor.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 19.
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