Aufmerksamkeit

[94] Aufmerksamkeit, der durch eigentümliche Gefühle charakterisierte seelische Zustand, der der Apperzeption (s. d.) eines gegebenen Inhaltes vorausgeht und sie begleitet. Wenn äußere Eindrücke durch ihre Stärke, ihre Plötzlichkeit oder sonstige Merkmale die A. auf sich ziehen und sich zur Apperzeption drängen, so spricht man von unwillkürlicher oder passiver, wenn umgekehrt die A. schon im voraus auf bestimmte von uns erwartete Eindrücke oder Vorstellungen gerichtet ist, von willkürlicher oder aktiver A. Das allgemeinste und regelmäßige Kennzeichen der A. besteht in gewissen Spannungsgefühlen, die entweder (bei der auf sinnliche Eindrücke gerichteten A.) in der Muskulatur der betreffenden Sinnesorgane ihren Sitz haben oder (bei der auf Vorstellungen und Begriffe gerichteten A.) sich auf die ganze Kopfmuskulatur verbreiten. Bei der passiven A. entwickelt sich aber diese Spannung und damit das Gefühl der Tätigkeit erst allmählich aus dem im ersten Moment vorhandenen Gefühl des Erleidens, und es vergeht daher bis zur Apperzeption des Eindrucks eine gewisse Zeit; bei der aktiven A. tritt an Stelle der Spannungs- und Erwartungsgefühle im Moment der Apperzeption zunächst ein Gefühl der Lösung, das sofort von neuem in ein Spannungs- und Tätigkeitsgefühl übergeht. Der Grad der A. und damit die Schärfe der Apperzeption ist je nach dem Zustande des Bewußtseins wechselnd. Bekannt ist die Erscheinung der Ermüdung der zu lange beanspruchten A., weniger bekannt das periodische Schwanken ihrer Stärke, das sich darin zeigt, daß z. B. das eben hörbare Ticken einer Uhr bei beständig darauf gerichteter A. in Zwischenräumen von 3–6 Sekunden zu verschwinden scheint.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 94.
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