[76] Erscheinung (Phänomēn) heißt im allgemeinen Sprachgebrauch alles, was in die sinnliche Wahrnehmung fällt (Naturerscheinungen); in der Sprache der Philosophie bezeichnet E. das Ding, so wie es sich dem wahrnehmenden Subjekt darstellt, im Gegensatze zu seinem eigentlichen (vom Subjekt unabhängigen und nicht unmittelbar wahrnehmbaren) Sein. Schon die Eleaten (s.d.) stellten den Satz auf, daß die sinnliche Wahrnehmung uns nicht das wahre Sein und Wesen der Dinge enthüllt; während aber die Genannten aus diesem Grunde die sinnliche Erkenntnis überhaupt verwarfen, für bloßen Schein erklärten, geht die moderne Naturwissenschaft und mit ihr die realistische Philosophie von der Überzeugung aus, daß die sinnliche E. in gesetzmäßiger Weise dem wahren Sein entspricht, und somit von jener auf dieses geschlossen werden kann. Der transzendentale Idealismus (s.d.) lehrt im Gegensatz zu beiden Standpunkten, daß wir es überhaupt nur mit Erscheinungen zu tun haben und das »Ding an sich« ein bloßer »Grenzbegriff« ist.