Ausnahmegesetz

[147] Ausnahmegesetz, Gesetzesvorschrift, die für eine bestimmte Klasse der Staatsangehörigen ein besonderes, vom allgemein (für alle Staatsbürger) gültigen oder gemeinsamen Recht abweichendes Recht festsetzt. Das A. erscheint als Abweichung von dem im Rechtsstaat geltenden Grundsatz der Gleichheit nur aus besonders triftigen und dringenden Gründen als gerechtfertigt. Auch wird ein A. zuweilen nur auf bestimmte Zeit erlassen, um die dadurch bewirkte Störung der Rechtsgleichheit möglichst bald wieder beseitigen zu können. Ein solches A., über dessen innere Berechtigung viel gestritten wurde, war das deutsche Sozialistengesetz von 1878 (vgl. Sozialdemokratie). Auch das deutsche Reichsgesetz vom 4. Juli 1872, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu, ist ein A., demzufolge der Jesuitenorden und die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen vom Gebiete des Deutschen Reiches ausgeschlossen sind. Ferner gehörte das 1890 aufgehobene deutsche Reichsgesetz vom 4. Mai 1874, betreffend die unbefugte Ausübung von Kirchenämtern, das gegenüber widersetzlichen Geistlichen Aberkennung der Staatsangehörigkeit und Ausweisung zuließ, hierher. Als A. bezeichnet man aber auch diejenige Norm, die nicht auf dem regelmäßigen gesetzlichen und verfassungsmäßigen Wege zustande kommt, sondern die in konstitutionell-monarchischen Staaten ohne Mitwirkung der Volksvertretung einseitig von der dazu bevollmächtigten Regierung erlassen wird (Notverordnung). Ein solches A. ist nur unter Umstanden, z. B. zur Beseitigung eines ungewöhnlichen Notstandes, statthaft. Nach der Verfassung des Deutschen Reiches sind jedoch derartige Notverordnungen nicht zulässig.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 147.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: