Bleichflüssigkeiten

[45] Bleichflüssigkeiten, Lösungen verschiedener Art, die bleichendes Chlor enthalten. Die erste Bleichflüssigkeit wurde 1792 in Javelle bei Paris durch Einleiten von Chlor in Pottaschelösung dargestellt. 1820 ersetzte Labarraque die Pottasche durch Soda (Eau de Labarraque), und dies billigere Präparat verdrängte bald das erstere und ist jetzt als Eau de Javelle (Chlornatron, Fleckwasser) gebräuchlich. Zu seiner Darstellung verreibt man 20 Teile Chlorkalk (28–30proz.) mit 100 Teilen Wasser, setzt eine Lösung von 25 Teilen kristallisierter Soda in 500 Teilen Wasser zu und gießt die Flüssigkeit am andern Tage klar ab. Sie enthält im wesentlichen unterchlorigsaures Natron und Chlornatrium. Man kann auch in eine kalte, höchstens 10proz. Sodalösung Chlor leiten, bis die Lösung aufbraust und Lackmus energisch bleicht. Sie enthält dann Chlornatrium, doppeltkohlensaures Natron und unterchlorige Säure. Bei weiterm Einleiten von Chlor wird das doppeltkohlensaure Natron unter Bildung von Chlornatrium zersetzt. Sehr billig erhält man dies Präparat durch Einleiten von Chlor in eine Mischung von Ätzkalk und schwefelsaurem Natron. Eau de Javelle ist klar, farblos oder grünlichgelb, riecht wie Chlorkalk, schmeckt adstringierend und muß in verschlossenen Gefäßen im Dunkeln aufbewahrt werden. Man benutzt es zum Bleichen, Vertilgen von Flecken etc.; Pflanzenfarben, alte Obst- und Weinflecke etc., auch Stockflecke, Tinte etc. zerstört es schnell und vollständig. Auch benutzt man es in der chemischen Analyse und in der Medizin als Verbandwasser, als Einspritzung bei veralteten Gonorrhöen etc. Elektrolytisch stellt man B. dar durch Zersetzung von Chlormagnesium-, Chlorcalcium- oder Chlornatriumlösungen zwischen Elektroden aus Platin oder Graphitkohle. Bei dem S-Elektrolyser bilden die aus dünnem Platinblech bestehenden Elektroden Rinnen von rechtwinkeligem Querschnitt ⋁, die senkrecht übereinander und so nahe beisammen stehen, daß immer die untere Kante jeder Rinne noch in den Flüssigkeitsspiegel der in der nächst tiefer liegenden Rinne befindlichen Lösung eintaucht. Die auf 0° oder etwas stärker abgekühlte 5proz. Salzlösung fließt an einem Ende der obersten Rinne zu, tritt am andern Ende durch eine Überlauföffnung in die nächst tieferliegende Rinne, durchströmt diese, gelangt dann in die dritte Rinne etc. und fließt aus der letzten Rinne als fertige Bleichflüssigkeit ab. Die oberste Rinne ist mit dem positiven, die unterste mit dem negativen Pol einer Gleichstrommaschine verbunden. Unter Abänderung der Form der Rinnen kann man sie auch nebeneinander stellen und aus Graphitkohle anfertigen. Ein Apparat, der mit 100 Ampere und 110 Volt betrieben wird, liefert in 18 Stunden 4400 Lit. Bleichflüssigkeit mit 1 Proz. wirksamem Chlor aus 6proz. Kochsalzlösung. Vgl. Schoop, Elektrische Bleicherei (Stuttg. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 45.
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