Denkgesetze

[640] Denkgesetze heißen in der Logik die allgemeinsten Regeln, auf die sich alle einzelnen Akte des Denkens zurückführen lassen. Da diese Akte nicht immer Wahrheiten, sondern oft auch Irrtümer zum Ergebnis haben, so hat man vielfach zwischen Naturgesetzen und Normalgesetzen des Denkens unterschieden, indem man unter den erstern die Gesetze versteht, nach denen das Denken als psychologischer Vorgang tatsächlich verläuft, unter den letztern die Vorschriften, denen gemäß das richtige Denken erfolgen muß. Doch ist ein sogen. falsches Denken überhaupt kein Denken, sondern beruht darauf, daß eine durch Ideenassoziation zustande gekommene Vorstellungsverknüpfung (falschlich) für eine logische gehalten wird, und daher ist jener Unterschied hinfällig. Herkömmlicherweise führt die Logik vier D. auf, das der Identität (s.d.), des Widerspruchs (s.d.), des ausgeschlossenen Dritten und des (zureichenden) Grundes (s.d.). Das erste und das zweite beziehen sich auf die Grundtätigkeiten des Denkens (Vergleichung und Unterscheidung) und besagen (in die Form von Vorschriften gebracht), daß nur Übereinstimmendes als gleich, Nichtübereinstimmendes aber immer als verschieden gesetzt werden soll. Das dritte bezieht sich auf die Funktion der Bejahung und Verneinung und besagt, daß zwischen beiden eine Zwischenstufe im Denken nicht existiert (zwischen den Urteilen: A ist B, und A ist nicht ll, gibt es kein Mittleres oder Drittes). Das vierte endlich bezieht sich auf die verknüpfende[640] Tätigkeit des Denkens, z. B. beim Schließen, und besagt, daß jeder Denkinhalt mit einem andern dergestalt in Verbindung zu bringen ist, daß er als die Folge desselben erscheint. Wenn von seiten des Empirismus (s.d.) der Einwand erhoben wird, daß der Inhalt der D. ein selbstverständlicher, tautologischer sei und ihnen somit kein Erkenntniswert zukomme, so ist dem zu entgegnen, daß sie eben als D. nicht anders als selbstverständlich sein können, und nicht sowohl unser positives Wissen bereichern als vielmehr die Formen unsers Denkens zum Bewußtsein bringen sollen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 640-641.
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