[552] Eisenbau (hierzu Tafel »Eisenbau I u. II«, mit Erläuterungen), die Herstellung einzelner oder mehrerer zusammenhängender Bauteile aus Eisen. Gedrückte, stets einer ruhenden Belastung ausgesetzte Teile, wie z. B. die Stützen von Mauern und die Streben von Dachstühlen, werden besonders gern aus Gußeisen, aber auch aus Schmiedeeisen (Walzeisen), gezogene oder gedrückte, einer bewegten, mit Erschütterungen verbundenen Belastung ausgesetzte Teile aus Schmiedeeisen, Flußeisen und andern Eisenarten verwandter Eigenschaften hergestellt. Da Gußeisen den 20fachen Druck des Holzes und 200fachen Druck des Steines, Schmiedeeisen den 10fachen Zug und Druck[552] des Holzes und den 100fachen Druck des Steines ertragen, während Eisen nur etwa achtmal soviel wie Holz und viermal soviel wie Stein wiegt, so werden gegenwärtig häufig Stein und Holz durch Eisen ersetzt. Hauptgrund für Anwendung des Eisenbaues aber, im Hochbau sowohl als im Ingenieurwesen, insbes. im Brückenbau, ist die Möglichkeit, Konstruktionen, namentlich zur Überspannung von Räumen und Öffnungen, bedeutend größer und kühner in Eisen herzustellen als in Holz und Stein. In stilistischer Beziehung hat man zwischen Eisenklein- und Eisengroßkonstruktionen zu unterscheiden. Die erstern umfassen die Herstellung einzelner Bauteile in Eisen, die auch Stücke des Stein- oder Holzbaues sein können, wie z. B. Säulen und Träger, Beschläge aller Art, eiserne Türen und Fenster mit ihrem Zubehör, Treppen, Gitter, Anker, First- und Turmkrönungen, im wesentlichen also Arbeiten des Kunstschmiedes und Schlossers. Sie wurden z. T. von alters her und besonders seit den Zeiten des Mittelalters ausgeführt, gehören dann den geschichtlichen Stilen an und sind in konstruktiver wie formaler Beziehung unter deren Gesichtspunkten zu betrachten und zu behandeln. Anders sind die in Eisenbauanstalten hergestellten Großkonstruktionen, d.h. die Bauwerke, die ganz oder vorwiegend aus Eisen bestehen und den E. im engern Sinn ausmachen. Sie sind ein Produkt des 19. Jahrh. und bilden in dessen Architekturentwickelung eins der wichtigsten und interessantesten Kapitel. Wenn der E. auch nicht berufen ist, wie manche meinen, der Neuzeit ihren Stil zu geben, so üben doch die durch die Programme der neuern großen Kulturbauten bedingten Eisenkonstruktionen einen bedeutenden Einfluß auf die Stilbildung aus. Durch die verhältnismäßige Masselosigkeit des Eisens werden der formalen Ausbildung des Eisenbaues fast unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. Man hat sich über diese hinweggesetzt, indem man die überkommenen Formen des Stein- und Holzbaues in Eisen nachahmte. Eine gesunde Bauweise aber kann das nicht genannt werden; denn die Gestaltung der Kunstform muß abhängig sein von dem Wesen, den Eigenschaften des Materials, aus dem sie gefertigt ist. Für Gußeisen wird man sich noch eher an die Formen des Stein- und Holzbaues, insbes. des erstern, halten dürfen, weil es dem Wesen des Gußeisens entspricht, in Gestalt hohler Massenstücke, wenn auch unter gewissen, von der Gußtechnik abhängigen Einschränkungen, in jede beliebige Form gebracht zu werden. Charakteristischer freilich sind Gußeisenbildungen, die man als »Wandstücke« bezeichnet, z. B. Platten aller Art, kreuzförmige Stützen, Barren mit Flanschen u. dgl., Stücke also, die aus einer oder mehreren dünnwandigen Flächen bestehen, und die allein oder zusammengesetzt, aber nicht unter Bildung von Hohlräumen auftreten. Für sie kann die Stein- oder Holzform nicht mehr vorbildlich sein, und mit ihrer Ausgestaltung ist ein Schritt vorwärts in der Entwickelung des Eisenbaues getan. In weit höherm Maße gilt dies vom Schmiedeeisen, das auch in der neuesten Zeit die bei weitem bedeutendere Rolle spielt. Seine Herstellungsweise zwingt zur Einhaltung einfacher Formen von geringer Dicke. Hieraus und aus Rücksicht auf die beim E. nach dem Gewicht berechneten Kosten folgen die erwähnten formalen Schwierigkeiten der Masselosigkeit. Der Materialüberschuß, der bei andern Baustoffen aus Schönheitsrücksichten gegeben werden darf, wird hier verschwindend klein, und damit verliert die Schmuckform ihren Boden. Auf diese wird also beim reinen E. tunlichst zu verzichten, seine Schönheit vornehmlich in der Wirkung im großen, in der allgemeinen Anordnung der Großkonstruktion, in der Kühnheit und Schönheit der Linienführung des Werkes zu suchen sein. Dies gilt besonders von den einschlägigen Eisenbauten des Ingenieurwesens, den Brücken, die jetzt fast nur noch in Schmiedeeisen und ihm verwandten Eisenarten ausgeführt werden. Bei den Eisenhochbauten, bei denen der reine Nutzzweck nicht in gleichem Maß im Vordergrund steht, bei denen die schmückende Zutat mehr Bedürfnis ist und überdies die Bildung größerer, d.h. geschlossener Massen im Programm liegt, wird unter Hinzunahme andrer Materialien gemischter E. angewendet werden müssen. Näheres s. Rückseite der Tafel. Vgl. Ledebur, Eisen und Stahl in ihrer Anwendung für bauliche und gewerbliche Zwecke (Berl. 1890); Förster, Die Eisenkonstruktionen der Ingenieur-Hochbauten (2. Aufl., Leipz. 1903).