Ennĭus

[825] Ennĭus, Quintus, der Vater der röm. Kunstpoesie, 239–169 v. Chr., ein Halbgrieche aus Rudiä in Kalabrien, ließ sich in Rom nieder, wo er, seit 184 im Besitz des Bürgerrechts und mit den angesehensten Männern, namentlich dem ältern Scipio, befreundet, als Lehrer und Dichter bis zu seinem Tode tätig war. Sein Hauptwerk war ein Epos in 18 Büchern, betitelt:[825] »Annales«, das in dem hier zuerst in die römische Literatur eingeführten griechischen Hexameter die Geschichte Roms von der Ankunft des Äneas in Italien an bis auf die Zeit des Dichters herab behandelte. Es galt den Römern der Republik als Nationalepos und ward erst durch Vergils Dichtungen aus dieser Stellung verdrängt. Auch als tragischer Dichter leistete E. Bedeutendes, und zwar verfaßte er neben mehr oder minder freien Nachdichtungen griechischer Originale, besonders des Euripides, auch nationale Stücke, sogen. praetextae. Außerdem schrieb E. mehrere Bücher »Saturae«, Gedichte mannigfaltigen Stoffes und Metrums, zu denen vermutlich eine Anzahl unter besonderm Titel angeführter Dichtungen gehörten, wie Epigramme, »Scipio«, »Heduphagetica« (»Delikatessen«, nach der gastronomischen Dichtung des Archestratos von Gela), »Epicharmus« (naturphilosophischen Inhalts), eine Übersetzung des Rationalisten Euhemeros u.a. Von entschieden künstlerischer Begabung, dazu bewandert in der griechischen Literatur, hat E. als der erste in Rom die Kunstpoesie begründet und bis gegen Ende der Republik in hohem Ansehen gestanden. Sammlungen seiner Fragmente von Vahlen (Leipz. 1854, neue Ausg. 1903) und L. Müller (Petersb. 1885), der dramatischen von Ribbeck in »Scaenicae Romanorum poesis fragmenta« (3. Aufl., Leipz. 1897). Vgl. Lucian Müller, Quintus E. (Petersb. 1884); Ribbeck, Die römische Tragödie (Leipz. 1875).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 825-826.
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