Fluorwasserstoffsäure

[728] Fluorwasserstoffsäure (Flußsäure, Flußspatsäure) HFl findet sich nicht in der Natur, wird erhalten, wenn man gepulverten kieselsäurefreien Flußspat oder Kryolith in einer Retorte von Platin oder Blei mit Vitriolöl erwärmt. Das sich entwickelnde Fluorwasserstoffgas ist farblos, riecht stechend sauer, bildet an der Luft dichte Nebel, erzeugt auf der Haut sehr schmerzhafte Blasen und Geschwüre, wirkt eingeatmet giftig und gibt bei starker Abkühlung in einer Vorlage aus Blei oder Platin eine farblose, rauchende, äußerst ätzende Flüssigkeit vom spez. Gew. 1,06, die bei 19,4° siedet, in der Kälte erstarrt u. bei -92,5° schmilzt. Vom Wasser wird das Gas äußerst begierig absorbiert. Wässerige F. kann nicht in Glasgefäßen berei tet oder aufbewahrt werden, weil sie Glas sehr energisch angreift. Zum Aufbewahren eignen sich Guttaperchaflaschen oder Glasflaschen, die inwendig mit einer Paraffinschicht überzogen sind. F. hat große Ähnlichkeit mit Salzsäure (Chlorwasserstoffsäure), raucht stark an der Luft, greift die meisten Metalle an (nicht Platin, Gold, Blei), löst Kieselsäure und zersetzt deren Salze, Glas- und Tonwaren. Mit Metallen bildet sie die Fluormetalle (s. Fluor). Bei der Elektrolyse gibt trockne F. freies Fluor. Man benutzt F. zum Ätzen auf Glas. In der chemischen Analyse deutet das Erscheinen von Ätzungen auf Glas die Gegenwart von Fluor an. F. wirkt sehr günstig bei Gärungen. Sie vermindert die Säuerung, fördert das Wachstum der Hefe und unterdrückt die schädlichen Bakterien. Während der Verzuckerung der Stärke darf sie noch nicht in die Maische gebracht werden, weil sie die Zuckerbildung beeinträchtigt. Die bei ihrer Anwendung erhaltene Schlempe ist sehr haltbar und dem Vieh zuträglich. Arzneilich (als Inhalation) ist F. gegen Lungenschwindsucht angewendet worden.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 728.
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