Hauy

[5] Hauy (spr. a-üī), 1) René Just, Mineralog, geb. 28. Febr. 1743 zu St.-Just in der Picardie, gest. 3. Juni 1822, widmete sich dem geistlichen Stand und wurde von Daubenton in die Mineralogie eingeführt. Sein epochemachendes System der Kristallographie erwarb ihm 1783 die Aufnahme in die Akademie. 1793 wurde er Mitglied der Commission des poids et des mesures, dann Professor an der Normalschule, 1794 Konservator des Cabinet des mines und 1802 Professor der Mineralogie am Museum der Naturgeschichte und bald darauf an der Akademie. H. ermittelte den Zusammenhang der von ihm als konstant erkannten Spaltungsgestalt des Kalkspats mit den äußern Formen, er entdeckte das Grundgesetz von der Rationalität der Achsenschnitte und das Gesetz der Symmetrie, nach dem bei der Kombination einer Kristallform mit einer andern alle gleichartigen Teile zugleich und auf gleiche Weise verändert werden. 1903 wurde ihm in St.-Just ein Denkmal errichtet. Er schrieb: »Essai sur la théorie et la structure des cristaux« (Par. 1784; deutsch von Hessel, Frankf. 1810); »Exposition raisonnée de la théorie de l'électricité et du magnétisme« (1787; deutsch von Murhardt, Altenb. 1801); »Traité de minéralogie« (1801, 2 Bde., mit Kupfern; neue Aufl., Par. 1822; deutsch von Karsten und Weiß, Leipz. 1804–10, 4 Bde.); »Traité élémentaire de physique« (1803, 2 Bde.; neue Aufl. 1821, 2 Bde.; deutsch von Blumhof, Weim. 1804, 2 Bde.); »Traité des caractères physiques des pierres précieuses« (1817; deutsch von Leonhard, Leipz. 1818); »Traité de cristallographie« (1822, 2 Bde., mit Atlas).

2) Valentin, Bruder des vorigen, geb. 13. Nov. 1746 in St.-Just, gest. 1822 in Paris, Begründer der ersten Erziehungs- und Unterrichtsanstalt für Blinde, war Lehrer in Paris, als er, ergriffen durch den Anblick einer Kapelle von Blinden, den Plan faßte, für blinde Kinder ähnlich zu sorgen, wie es der Abbé de l'Epée (s. d.) für die taubstummen getan hatte. Angeregt gleichzeitig durch die Bekanntschaft mit der blinden Musikvirtuosin M. Th. v. Paradis aus Wien, errichtete er 1784 in Paris zu diesem Zweck eine Anstalt, die 1791 vom Staat übernommen ward. 1806 ging H. über Berlin (Gründung der Blindenanstalt) nach St. Petersburg, wo er bis 1817 blieb. Dann nahm er sein Werk in Paris wieder auf, nachdem inzwischen sein menschenfreundliches Vorgehen bei fast allen gebildeten Völkern Nachfolge gefunden hatte. Er schrieb: »Essai sur l'éducation des aveugles« (Par. 1786). Vgl. Klein, Geschichte des Blindenunterrichts (Wien 1837); Guadet, Valentin H. (Par. 1870); Strebitzky, Valentin H. à S t-Pétersbourg (das. 1884).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 5.
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