Initiālen

[838] Initiālen (lat.), Anfangsbuchstaben, besonders über die Textschrift hervorragende oder aus ihr heraustretende, verzierte und farbige (als Buch- oder Kapitelanfang). Als Handschriften und Bücher von Schreibern vervielfältigt wurden, wurde die Hervorhebung der I. aus dem Texte durch Vergrößerung und durch Hinzufügung von Linien und Schnörkeln versucht, woraus sich allmählich ein ornamentales Spiel entwickelte, das im frühen Mittelalter vornehmlich durch irische Mönche einen bestimmten phantastischen Charakter erhielt.

Initiale 'K' von Tory (Ende 16. Jahrh.).
Initiale 'K' von Tory (Ende 16. Jahrh.).

Die I. wurden anfangs durch rote Striche (daher die Benennung Miniatur) ausgezeichnet, später durch Auslegung von Goldblättchen gehoben und schließlich in bunten Farben und mit Gold ausgemalt. Zu den Ornamenten traten später Figuren und ganze Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament, die sich auf den Inhalt des betreffenden Kapitels bezogen. Im 14. und 15. Jahrh. wurde mit den I. in Handschriften, die als die Anfänge der Miniaturen- (Buch-) Malerei anzusehen sind, so großer Luxus getrieben, daß man I. findet, die ganze Blattseiten von Foliohandschriften bedecken. Mit der Erfindung der Buchdruckerkunst wurden auch die I. übernommen. Anfangs wurden sie in den gedruckten Text mit der Hand hineingemalt. Später wurden sie in Holzschnitt dargestellt und dann koloriert. Die moderne Buchausstattung hat die I. wieder aufgenommen und verwertet sie mit Vorliebe nach dem Geschmack der Gotik und Renaissancezeit, aus denen sich zahlreiche Vorbilder für figürliche und ornamentale I. in Kupferstich und Holzschnitt erhalten haben. Ihren Höhepunkt erreichte die Initialenmalerei in Italien und Frankreich zu Ende des 15. und im Anfang des 16. Jahrh. S. Tafel »Ornamente II«, Fig. 36 und 37 (irische I.), Fig. 39,46; Tafel III, Fig. 7,8,16 und 19; Tafel »Buchschmuck II«, Fig. 2–4; Tafel III, Fig. 5, u. Tafel »Pflanzenornamente I«, Fig. 14. Vgl. Shaw, Handbook of mediaeval alphabets and devices (Lond. 1853); Owen Jones, 1001 initial letters (das. 1864); Lamprecht, Initialornamentik des 8.–13. Jahrhunderts (Leipz. 1882); Hasselmann, I. aus dem 15.–19. Jahrhundert (Münch. 1882–83); Hrachowina, I., Alphabete und Randleisten verschiedener Kunstepochen (Wien 1883); Faulmann, Die Initiale (das. 1886); Arnold, Sammlung von I. aus Werken vom 11.–17. Jahrhundert (2. Aufl., Leipz. 1889–90); v. Kobell, Kunstvolle Miniaturen und I. aus Handschriften des 4.–16. Jahrhunderts (Münch. 1891); Middleton, Illuminated manuscripts in classical and mediaeval times (Cambridge 1892); Labitte, Les manuscrits et l'art de les orner (Par. 1893); »I. von Hans Holbein« (hrsg. von Schneeli u. Heitz, Straßb. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 838.
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