Sittengesetz

[503] Sittengesetz (sittliche Norm) heißt jede Regel des Tuns oder Lassens, deren Befolgung vom allgemeinen Bewußtsein als Pflicht erachtet wird. Die Erforschung des Wesens und Ursprungs der Sittengesetze ist eine Hauptaufgabe der theoretischen Ethik, die in den verschiedenen ethischen Systemen in verschiedener Weise gelöst worden ist. Hauptsächlich stehen sich hier zwei Ansichten gegenüber. Nach der einen (die z. B. Kant vertritt) wurzeln die Sittengesetze in der »praktischen Vernunft« und werden von dieser mit ebensolcher Evidenz als unbedingt verbindlich anerkannt, wie von der theoretischen Vernunft die Richtigkeit der mathematischen Axiome anerkannt wird (Intuitionismus, s. d). Nach der andern leitet sich die Gültigkeit der Sittengesetze daraus ab, daß durch ihre Befolgung wichtige Lebenszwecke (des Einzelnen oder der Gesellschaft) realisiert werden (Utilitarismus, s. d.). Im Sinne der theologischen Ethik endlich sind die Sittengesetze göttliche Gebote.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 503.
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