Tefsîr

[373] Tefsîr (arab., »Auslegung«), bei den Mohammedanern speziell die Wissenschaft der Koranauslegung, die anfänglich nur einen Teil der allgemeinen Traditions- und Rechtskunde bildete, sich später aber emanzipierte und vom 2. Jahrh. d. H. ab eine ungeheure Literatur erzeugt hat. Ihr Vater ist Ibn el' Abbâs, ein Vetter des Propheten, der sie zu tendenziösen Zwecken gemißbraucht und dadurch von vornherein auf falsche Bahnen geleitet hat. Das umfassendste Tefsîrwerk der ältern Zeit ist der große Kommentar Tábaris (s. Tabari), den die spätern, namentlich auch Abu'l Leith as Samarkandi (gest. 985) und el Baghawi (gest. 1122; hrsg. Bombay 1879), stark benutzt, bez. in verkürzter Gestalt wiederholt haben. Als Meisterwerk spekulativer und allegorisierender Dialektik verdient der »Kaschschâf« Samachscharis (s. Samachschari) Erwähnung; auf ihm beruht im wesentlichen der Kommentar Beidhawis, der bei den Sunniten beinahe kanonisches Ansehen genießt (s. Arabische Literatur, S. 661). Die umfangreichsten unter den uns erhaltenen spätern Tefsîrwerken haben Kúrtubi (gest. 1272) und den Imam Fachr ed Dîn er Râsi (gest. 1209; beste Ausgabe seines »Großen Kommentars« Bulak 1862, 6 Bde.) zu Verfassern. Handlich und daher viel benutzt ist der »Tefsîr el Dschelâlein« (»der T. der beiden Dschelâte«), d. h. das von Dschelâl ed Dîn el Mahalli (gest. 1460) begonnene und von Dschelâl ed Dîn es Sojuti (s. Sojuti) zu Ende geführte koranexegetische Kompendium (hrsg. Bulak 1293 d. H., 2 Bde., und oft im Orient; mit Superkommentar, z. B. Kairo 1302, 4 Bde.). Der größte Mystiker unter den Koraninterpreten ist der Andalusier Mohji ed Dîn Ibn el' Arabi (gest. 1240; hrsg. Bulak 1283 u. ö.). Die beste Übersicht über die Literatur des T. enthalten Sojulis »Liber de interpretibus Korani« (arab. u. lat. von Meursinge, Leiden 1839) und der »Itkân« desselben Verfassers (eine Art Einleitung in den Koran, hrsg. Kairo 1278, Kalkutta 1852–54 u. ö.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 373.
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