[479] Korân (mit dem Artikel: Alkoran, der »Vortrag« der göttlichen Offenbarung), das in arabischer Sprache verfaßte, von Abu Bekr und Omar aus Aufzeichnungen und mündlicher Überlieferung der Gläubigen gesammelte und vom Kalifen Othman in offizieller Redaktion herausgegebene Religionsbuch der Mohammedaner, das die Offenbarungen Mohammeds enthält. Der K. schreibt sich selbst unmittelbaren göttlichen Ursprung zu, und die mohammedanische Dogmatik lehrt, daß er von Ewigkeit her ungeschaffen vorhanden gewesen und Mohammed durch den Erzengel Gabriel stückweise mitgeteilt worden sei. Der K. in seiner gegenwärtigen Gestalt enthält 114 Suren[479] oder Kapitel von sehr ungleichem Umfang und mit oft schwerverständlichen, zuweilen von einem in dem Kapitel zufällig vorkommenden Wort herrührenden Überschriften, z. B.: »Der Sieg«, »Das Eisen«, »Die Schlachtordnung« etc. Er enthält keine systematisch geordnete Glaubens- oder Sittenlehre; nicht einmal innerhalb der einzelnen Suren besteht ein geordneter Zusammenhang, da bei der Redaktion zufällige Äußerlichkeiten oft genug die Zusammenfügung verschiedenartiger Bestandteile in den Rahmen einer einzigen Sure veranlaßt haben. Sprache und Darstellung sind mitunter Ausdruck einer glühenden und-ergreifenden Begeisterung, oft aber auch ermüdend durch prosaischen Ton und endlose Wiederholungen. Der Inhalt des Korans (vgl. Mohammedanische Religion) umfaßt übrigens nicht bloß Glaubens- und Sittenlehren, sondern auch Vorschriften des Zivil- und Strafgesetzes, der Gesundheitspolizei und selbst der Politik-alles in oft schnell miteinander abwechselnden Formen der (immer Gott in den Mund gelegten) Erzählung, Belehrung, Verordnung, Ermahnung, Drohung und Verheißung. Vielfach benutzt sind die Überlieferungen der jüdischen und christlichen Religion, zuweilen auch die ältere arabische Sage. Die Auslegung des Korans bildet einen Hauptzweig der Arabischen Literatur (s. d., S. 661). Das Lesen des Korans gilt den Mohammedanern für ein heilschaffendes Werk, und es dienen die einzelnen Koranstücke zugleich als Gebete, im Gebrauch des Aberglaubens auch als Talismane. Der Text des Korans wurde vollständig, nachdem eine im Anfang des 16. Jahrh. von Paganini in Venedig hergestellte Ausgabe auf päpstlichen Befehl verbrannt war, zuerst von Hinckelmann (Hamb. 1694), dann mit lateinischer Übersetzung von Marracci (Padua 1698), später Petersburg 1787, Kasan 1803 u. ö. veröffentlicht. Die im Abendland verbreitetste Ausgabe ist der Flügelsche Stereotypdruck (Leipz., seit 1834 in mehreren Auflagen); im Orient ist Vervielfältigung des Korans durch den Druck verpönt, doch ist er besonders in Indien neuerdings häufig lithographiert worden. Eine kritische Ausgabe fehlt aber noch. Die älteste Übersetzung (eine strengern Anforderungen genügende ist noch nicht vorhanden und ebensowenig besitzen wir einen guten abendländischen Kommentar) wurde im 12. Jahrh. auf Betrieb und Kosten des Abtes Peter von Clugny van Robertus Retenensis und Hermannus Dalmata angefertigt (hrsg. von Bibliander, Basel 1543); von neuern sind zu nennen die französische von Kasimirski (neue Ausg., Par. 1887), die englischen von Sale (neue Ausg., Lond. 1892), Rodwell (das. 1861, 2. Ausg. 1876), Palmer (Oxf. 1880); die deutschen von Ullmann (9. Aufl., Bielef. 1897) und Bischoff (Leipz. 1904), besser die leider unvollendeten von Rückert (Frankf. 1888) und Klamroth (Hamb. 1890); dazu die Wortkonkordanzen von Flügel (Leipz. 1842 u. ö.) und Kazem-Bek (Petersb. 1859) und die Realkonkordanz von La Beaume (Par. 1878). Wörterbücher zum K. veröffentlichten Willmet (Leiden 1784), Penrice (Lond. 1873) und Dieterici (2. Aufl., Leipz. 1894). Vgl. Nöldeke, Geschichte des Korans (Götting. 1860) und Orientalische Skizzen (Kapitel »Korân«, Berl. 1892); Garcin de Tassy, L'islamisme d'après le Coran (Par. 1874); Hirschfeld, New researches into the composition and exegesis of the Koran (Lond. 1902) u. a.