Tetanīe

[439] Tetanīe (Tetanus intermittens), eine Krankheit, die vorzugsweise bei Kindern und jugendlichen Individuen nach Erkältungen, schweren Infektionskrankheiten, bei Rachitis, Exstirpation der Schilddrüse, bei schweren Fällen von Magenerweiterung etc. vorkommt. Sie äußert sich in anfallsweise auftretenden tonischen [439] Krämpfen der Extremitäten, die während des Anfalls symmetrisch in starrer Beugung der verschiedenen Gelenke fixiert werden, wobei die Muskeln fast marmorhart sich anfühlen. Besonders häufig sind die obern Extremitäten, namentlich die Muskeln der Hand und der Finger befallen (Schreibe- oder Geburtshelferstellung der Hand) sowie die Muskeln des Fußes (Spitzfußstellung). Die Anfälle dauern in manchen Fällen nur minuten-, in andern stunden- und sogar tagelang. Das Bewußtsein ist während des Anfalls völlig intakt, die Schmerzen mäßig. Die T. der Kinder ist oft mit Stimmritzenkrampf verbunden. Pathognomonisch für T. ist 1) das Trousseausche Phänomen, d. h. solange die Krankheit besteht, kann man die Krämpfe jederzeit durch einen Druck auf die Hauptnerven- und -Gefäßstämme, also z. B. durch Umschnürung des Gliedes, hervorrufen; 2) das Chvosteksche Phänomen, d. h. ein leichter Strich mit dem Finger von der Schläfe zum Unterkiefer bringt sofort eine Kontraktion aller vom Facialis versorgten Muskeln hervor; 3) das Erbsche Symptom, d. h. die Steigerung der elektrischen Erregbarkeit der motorischen Nerven. Bei Kindern lösen Verdauungsstörungen den Anfall aus, daher in solchen Fällen ein Abführmittel vorzüglich wirkt. Die Krankheit dauert meist einige Wochen und endet bei Erwachsenen fast immer in Genesung, während Kinder (besonders Säuglinge) oft in einem Paroxysmus plötzlich zugrunde gehen. Die Behandlung besteht in elektrischen und nervenberuhigenden Kuren.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 439-440.
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